Aufklätungsgespräch
Die betrof­fene Patien­tin hatte bereits mehrere Augen­be­hand­lun­gen hinter sich. Bild: AlexanderGray/pixaba.com

Frau hatte bereits mehrere OPs hinter sich

Ein Aufklä­rungs­ge­spräch kurz vor der OP ist nicht genug, entschied das Landge­richt Franken­thal. Die betrof­fene Frau befand sich schon einige Jahre in der Behand­lung ihres Augen­arz­tes. Sie wies eine starke Kurzsich­tig­keit (minus 12 Dioptrien) und einen erhöh­ten Augen­in­nen­druck auf.

Zuvor waren ihr schon zwei Mal opera­tiv die Augen­lin­sen entfernt und ersetzt worden. Nach dem sich in ihrem rechten Auge eine Trübung einge­stellt hatte, verein­barte sie mit ihrem Augen­arzt eine erneute Opera­tion. Hierbei sollte ihr eine multi­fo­kale Intraoku­lar­linse (Linse mit mehre­ren Sehstär­ken) rechts einge­setzt werden.

Wenige Tage nach der Opera­tion dokumen­tierte ihr Augen­arzt am rechten Auge eine Sehschärfe von 0,8. Dieser Wert war später vor Gericht strei­tig. Einige Tage später, nach erneu­ter Messung, wies sie eine Sehschärfe von nur noch 0,25 auf. Danach begab sich die Frau in Behand­lung eines anderen Augen­arz­tes.

Frau kannte Risiken nicht

Vor Gericht gab die Frau an, dass ihr Augen­arzt sie nicht ausrei­chend über mögli­che Kompli­ka­tio­nen und Risiken der Opera­tion infor­miert habe. Zudem habe er ihr keine alter­na­ti­ven Behand­lungs­mög­lich­kei­ten aufge­zeigt.

Hätte sie um die Risiken einer Multi­fo­kal­linse gewusst, hätte sie sich vermut­lich eine weitere ärztli­che Meinung einge­holt und sich für eine andere Linsen­art entschie­den. Ihrer Meinung nach war der Eingriff zudem medizi­nisch nicht indiziert.

Schmer­zen während Opera­tion

Außer­dem klagt die Frau an, während des Eingriffs einen stechen­den Schmerz im Auge verspürt zu haben. Darauf soll der Augen­arzt fälsch­li­cher­weise nicht reagiert haben. Generell sei der Eingriff fehler­haft durch­ge­führt worden sein, was infolge zu der massi­ven Verschlech­te­rung ihrer Sehfä­hig­keit geführt habe.

Vor Gericht fordert die Frau vom Augen­arzt ein angemes­se­nes Schmer­zens­geld und Zahlun­gen für weitere zukünf­tige materi­elle und nicht abseh­bare immate­ri­elle Schäden.

Der Arzt entgeg­net der Frau jedoch, sie sehr wohl über mögli­che Risiken der Opera­tion aufge­klärt zu haben. Das Aufklä­rungs­ge­spräch habe am Tag der verein­bar­ten Opera­tion kurze Zeit vorher im Rahmen einer Opera­ti­ons­vor­be­rei­tung statt­ge­fun­den. Dass ein solches Gespräch statt­ge­fun­den haben soll, bestritt die Frau.

Aufklä­rungs­ge­spräch war nicht ausrei­chend

Den von der Kläge­rin monier­ten Behand­lungs­feh­ler konnte das Landge­richt Linden­thal nicht feststel­len. Ein Sachver­stän­di­ger gab an, dass der Eingriff und die getrof­fe­nen Maßnah­men verständ­lich und nachvoll­zieh­bar seien. Die Thera­pie­wahl an sich sei somit nicht behand­lungs­feh­ler­haft gewesen.

Aller­dings erwies sich die Opera­tion als rechts­wid­rig. Der Augen­arzt habe seine Pflich­ten aus dem Behand­lungs­ver­trag gemäß §§ 280 Absatz 1, 630a, 823, 249 verletzt. Mangels ausrei­chen­der Aufklä­rung sei die Einwil­li­gung der Kläge­rin in die Opera­tion nicht wirksam gewesen. Das von der Kläge­rin bestrit­tene Aufklä­rungs­ge­spräch habe zwar statt­ge­fun­den, aller­dings nicht in einem passen­den Umfang und Rahmen.

Dass das Gespräch tatsäch­lich statt­ge­fun­den hat, ist auch der ärztli­chen Dokumen­ta­tion für den Tag zu entneh­men mit der Eintra­gung „aufge­klärt-0Frg“. „0Frg“ bezieht sich hierbei darauf, dass die Kläge­rin wohl keine Fragen nach dem Aufklä­rungs­ge­spräch hatte.

Die Opera­tion war für 8:50 Uhr angesetzt. Die Frau erschien um 8:30 Uhr in der Praxis. Nach einstün­di­ger Warte­zeit wurde an ihr ein Sehtest durch­ge­führt. 30 Minuten später wurde sie dann in den OP-Bereich gebracht. Dort soll dann auch das Aufklä­rungs­ge­spräch mit einer Arzthel­fe­rin statt­ge­fun­den haben, worauf­hin die Frau eine „Aufklä­rung über die Risiken“ unter­schrieb.

Keine freie Entschei­dung möglich gewesen

Das Gericht hat entschie­den, dass eine Aufklä­rung am Tag der OP mit bereits angesetz­tem Termin verspä­tet ist und nicht ausrei­chend für eine freie und wirksame Einwil­li­gung. Dies gilt erst recht, wenn die Aufklä­rung nicht nur am Opera­ti­ons­tag, sondern sogar erst während der opera­ti­ons­vor­be­rei­ten­den Maßnah­men (opera­ti­ons­vor­be­rei­tende Unter­su­chung) unmit­tel­bar vor dem Eingriff erfolgt.

Die Frau hatte zu diesem Zeitpunkt nicht ausrei­chend Bedenk­zeit, um eine freie Entschei­dung für oder gegen den Eingriff zu treffen, ohne unter Zeitdruck zu geraten.

Zudem konnte der Arzt nicht vortra­gen, wann er selbst mit der Frau ein Aufklä­rungs­ge­spräch über die Risiken des Eingriffs geführt habe. Er konnte ledig­lich pauschale Angaben dazu machen, dass er mehrfach im Vorfeld mit der Patien­tin über die neue Linse gespro­chen habe.

Schmer­zens­geld von 10.000 Euro

Der Sachver­stän­dige konnte heraus­ar­bei­ten, dass die Sehschärfe der Frau vor dem Eingriff auf dem rechten Auge 1,2 betrug. Nach der Opera­tion lag diese nur noch bei 0,32. Angesichts der erheb­li­chen Verschlech­te­rung erach­tet das Gericht ein Schmer­zens­geld von 10.000 Euro für gerecht­fer­tigt.

Zudem ist der Augen­arzt verpflich­tet, sämtli­che künfti­gen materi­el­len und nicht vorher­seh­ba­ren immate­ri­el­len Schäden aufgrund der Opera­tion zu erset­zen. Die Entschei­dung ist rechts­kräf­tig.