Frau hatte bereits mehrere OPs hinter sich
Ein Aufklärungsgespräch kurz vor der OP ist nicht genug, entschied das Landgericht Frankenthal. Die betroffene Frau befand sich schon einige Jahre in der Behandlung ihres Augenarztes. Sie wies eine starke Kurzsichtigkeit (minus 12 Dioptrien) und einen erhöhten Augeninnendruck auf.
Zuvor waren ihr schon zwei Mal operativ die Augenlinsen entfernt und ersetzt worden. Nach dem sich in ihrem rechten Auge eine Trübung eingestellt hatte, vereinbarte sie mit ihrem Augenarzt eine erneute Operation. Hierbei sollte ihr eine multifokale Intraokularlinse (Linse mit mehreren Sehstärken) rechts eingesetzt werden.
Wenige Tage nach der Operation dokumentierte ihr Augenarzt am rechten Auge eine Sehschärfe von 0,8. Dieser Wert war später vor Gericht streitig. Einige Tage später, nach erneuter Messung, wies sie eine Sehschärfe von nur noch 0,25 auf. Danach begab sich die Frau in Behandlung eines anderen Augenarztes.
Frau kannte Risiken nicht
Vor Gericht gab die Frau an, dass ihr Augenarzt sie nicht ausreichend über mögliche Komplikationen und Risiken der Operation informiert habe. Zudem habe er ihr keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Hätte sie um die Risiken einer Multifokallinse gewusst, hätte sie sich vermutlich eine weitere ärztliche Meinung eingeholt und sich für eine andere Linsenart entschieden. Ihrer Meinung nach war der Eingriff zudem medizinisch nicht indiziert.
Schmerzen während Operation
Außerdem klagt die Frau an, während des Eingriffs einen stechenden Schmerz im Auge verspürt zu haben. Darauf soll der Augenarzt fälschlicherweise nicht reagiert haben. Generell sei der Eingriff fehlerhaft durchgeführt worden sein, was infolge zu der massiven Verschlechterung ihrer Sehfähigkeit geführt habe.
Vor Gericht fordert die Frau vom Augenarzt ein angemessenes Schmerzensgeld und Zahlungen für weitere zukünftige materielle und nicht absehbare immaterielle Schäden.
Der Arzt entgegnet der Frau jedoch, sie sehr wohl über mögliche Risiken der Operation aufgeklärt zu haben. Das Aufklärungsgespräch habe am Tag der vereinbarten Operation kurze Zeit vorher im Rahmen einer Operationsvorbereitung stattgefunden. Dass ein solches Gespräch stattgefunden haben soll, bestritt die Frau.
Aufklärungsgespräch war nicht ausreichend
Den von der Klägerin monierten Behandlungsfehler konnte das Landgericht Lindenthal nicht feststellen. Ein Sachverständiger gab an, dass der Eingriff und die getroffenen Maßnahmen verständlich und nachvollziehbar seien. Die Therapiewahl an sich sei somit nicht behandlungsfehlerhaft gewesen.
Allerdings erwies sich die Operation als rechtswidrig. Der Augenarzt habe seine Pflichten aus dem Behandlungsvertrag gemäß §§ 280 Absatz 1, 630a, 823, 249 verletzt. Mangels ausreichender Aufklärung sei die Einwilligung der Klägerin in die Operation nicht wirksam gewesen. Das von der Klägerin bestrittene Aufklärungsgespräch habe zwar stattgefunden, allerdings nicht in einem passenden Umfang und Rahmen.
Dass das Gespräch tatsächlich stattgefunden hat, ist auch der ärztlichen Dokumentation für den Tag zu entnehmen mit der Eintragung „aufgeklärt-0Frg“. „0Frg“ bezieht sich hierbei darauf, dass die Klägerin wohl keine Fragen nach dem Aufklärungsgespräch hatte.
Die Operation war für 8:50 Uhr angesetzt. Die Frau erschien um 8:30 Uhr in der Praxis. Nach einstündiger Wartezeit wurde an ihr ein Sehtest durchgeführt. 30 Minuten später wurde sie dann in den OP-Bereich gebracht. Dort soll dann auch das Aufklärungsgespräch mit einer Arzthelferin stattgefunden haben, woraufhin die Frau eine „Aufklärung über die Risiken“ unterschrieb.
Keine freie Entscheidung möglich gewesen
Das Gericht hat entschieden, dass eine Aufklärung am Tag der OP mit bereits angesetztem Termin verspätet ist und nicht ausreichend für eine freie und wirksame Einwilligung. Dies gilt erst recht, wenn die Aufklärung nicht nur am Operationstag, sondern sogar erst während der operationsvorbereitenden Maßnahmen (operationsvorbereitende Untersuchung) unmittelbar vor dem Eingriff erfolgt.
Die Frau hatte zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend Bedenkzeit, um eine freie Entscheidung für oder gegen den Eingriff zu treffen, ohne unter Zeitdruck zu geraten.
Zudem konnte der Arzt nicht vortragen, wann er selbst mit der Frau ein Aufklärungsgespräch über die Risiken des Eingriffs geführt habe. Er konnte lediglich pauschale Angaben dazu machen, dass er mehrfach im Vorfeld mit der Patientin über die neue Linse gesprochen habe.
Schmerzensgeld von 10.000 Euro
Der Sachverständige konnte herausarbeiten, dass die Sehschärfe der Frau vor dem Eingriff auf dem rechten Auge 1,2 betrug. Nach der Operation lag diese nur noch bei 0,32. Angesichts der erheblichen Verschlechterung erachtet das Gericht ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro für gerechtfertigt.
Zudem ist der Augenarzt verpflichtet, sämtliche künftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aufgrund der Operation zu ersetzen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.