Viele wünschen sich eine Arbeitszeitreduzierung
Viele wünschen sich eine Arbeits­zeit­re­du­zie­rung – auch Pflege­kräfte. Bild: Frank Harms/Dreamstime

Die tatsäch­li­chen Arbeits­zei­ten stimmen oft nicht mit den Wünschen der Arbeit­neh­mer in Medizin und Pflege überein. Die Arbeits­zeit­ver­kür­zungs­wün­sche von überbe­schäf­tig­ten Angestell­ten sind nach einem aktuel­len Forschungs­be­richt des Insti­tuts für Arbeits­markt und Berufs­for­schung empirisch belegt.

Die Gründe hierfür sind unter­schied­li­cher Natur. In der Haupt­sa­che stellt der familiäre Kontext neben den Job- und Firmen­merk­ma­len einen entschei­den­den Faktor für die Arbeits­zeit­wün­sche von Beschäf­tig­ten dar.

Die Arbeit in Kranken­häu­sern und Pflege­ein­rich­tun­gen erfolgt regel­mä­ßig im Drei-Schicht-Betrieb, nicht selten bei voller Ausschöp­fung der arbeits­zeit­recht­li­chen Tages­höchst­gren­zen. Es verwun­dert daher nicht, dass nach einer Studie der Berufs­ge­nos­sen­schaft für Gesund­heits­dienst und Wohlfahrts­pflege (BGW) fast 64 Prozent der befrag­ten jungen Angestell­ten im Kranken­haus angaben, dass ihre Gesund­heit belas­tet sei und 56 Prozent, also mehr als jeder Zweite, von Burnout-Sympto­men berich­tete.

Gesund­heits­aspekte

Von Arbeits­me­di­zi­nern ist es seit langem anerkannt, dass anhal­tend lange Arbeits­zei­ten zu

führen. Die Begren­zung der Arbeits­zeit kann daher zum einen gesund­heit­li­che Beein­träch­ti­gun­gen und daraus resul­tie­rende Krank­schrei­bun­gen verrin­gern und zum anderen die anstei­gende Fehler­häu­fig­keit in Folge überlan­ger Arbeits­zei­ten eindäm­men.

Bei genauer Betrach­tung besteht daher für Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer gleicher­ma­ßen ein Inter­esse der Präfe­renz nach mehr Freizeit bei gleich­zei­ti­gem Hochhal­ten des Arbeits­um­fangs zu entspre­chen. In der Praxis stößt dieser Flexi­bi­li­sie­rungs­an­satz der Arbeits­zeit aber oft auf den Wider­stand der Arbeit­ge­ber, insbe­son­dere dann, wenn er bei vollem Lohnaus­gleich statt­fin­den soll.

Allge­meine Rechts­aspekte der Arbeits­zeit­re­du­zie­rung

Das Kernge­biet des Arbeits­rechts in den §§ 611 ff. BGB bietet nur lose Anknüp­fungs­punkte zum Thema „Arbeits­zeit­re­du­zie­rung“. Wie alle anderen zivil­recht­li­chen Vertrags­kon­strukte sind auch die Regelun­gen der Bezie­hun­gen zwischen Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer vom Grund­satz der Privat­au­to­no­mie geprägt. Das heißt: auf einver­nehm­li­cher Basis können die Arbeits­ver­trags­par­teien die Modali­tä­ten des Leistungs­aus­tau­sches – Lohn gegen Arbeit – bestim­men.

Die Festle­gung der Arbeits­zeit und die Höhe des Arbeits­ent­gel­tes zählen hierbei zu den sogenann­ten essen­ti­alia negotii, den wesent­li­chen Vertrags­ei­gen­schaf­ten. Typischer­weise korre­lie­ren beide mitein­an­der. Ob und wie sich die Arbeits­zeit­fle­xi­bil­tät auf Gehalts­be­stand­teile auswirkt, steht daher im Beneh­men der beiden Partner des Arbeits­ver­tra­ges.

Orien­tie­rung bieten dabei zuvor­derst die Vorschrif­ten des Arbeits­zeit­ge­set­zes, welches seinem Zweck nach schon keine Stell­schrau­ben zur Lösung von konkre­ten Arbeits­re­du­zie­rungs­wün­schen anbie­tet, sondern ledig­lich die arbeits­zeit­recht­li­chen Rahmen­be­din­gun­gen vorgibt. Die gehalts­neu­trale Reduzie­rung der Arbeits­zeit liegt damit am Ende im Verhand­lungs­ge­schick der Arbeits­ver­trags­par­teien.

Ein weite­res Element der Archi­tek­tur von Arbeits­ver­hält­nis­sen, das auf die arbeits­ver­trag­li­che Gestal­tung der Arbeits­zeit ausstrahlt, bildet das Tarif­ver­trags­recht, dass in seinen Vergü­tungs­be­stand­tei­len wiederum den Anhalt für die Höhe der Vergü­tungs­leis­tung der Kranken­kas­sen für die Gesund­heits­ein­rich­tun­gen bietet.

Die arbeits­neh­mer­freund­li­che Anpas­sung der Arbeits­be­din­gun­gen ist insoweit den Tarif­run­den der Gewerk­schaf­ten und Arbeit­ge­ber­ver­bän­den überlas­sen, die sich vor dem Hinter­grund der aktuel­len Arbeits­markt­si­tua­tion erfah­rungs­ge­mäß als zäh und schwie­rig erwei­sen. In der Gesamt­schau stellt sich daher das Kernge­biet des Arbeits­rechts als zu starr dar, um syste­ma­tisch dem Wunsch nach Arbeits­zeit­re­du­zie­rung zu entspre­chen.

Teilzeit- und Befris­tungs­ge­setz

Das Teilzeit- und Befris­tungs­ge­setz (TzBfG) regelt seit dem 21. Dezem­ber 2000 die Rechte der in Teilzeit und Befris­tung beschäf­tig­ten Arbeit­neh­mer. Zugleich wird aber auch vollzeit­be­schäf­tig­ten Arbeit­neh­mern die Möglich­keit einge­räumt eine Verrin­ge­rung ihrer bishe­ri­gen Wochen­ar­beits­zeit zu verlan­gen, wenn eine Verkür­zung der Arbeits­zeit nicht durch Einigung mit dem Arbeit­ge­ber erreicht werden kann.

Voraus­set­zung ist, dass das betref­fende Arbeits­ver­hält­nis länger als sechs Monate bestan­den hat und der Arbeit­ge­ber in der Regel mehr als 15 Arbeit­neh­mer beschäf­tigt (§ 8 Absatz 1 TzBfG). Dem Anspruch auf Verrin­ge­rung der Arbeits­zeit ist zuzustim­men, soweit betrieb­li­che Gründe nicht entge­gen­ste­hen (§ 8 Absatz 4 Satz 1 TzBfG).

Formvor­schrif­ten

Das Verlan­gen des Arbeit­neh­mers auf Abschluss einer Verein­ba­rung über die Verrin­ge­rung der Arbeits­zeit und deren Neuver­tei­lung ist vertrags­recht­lich nach der Recht­spre­chung des Bundes­ar­beits­ge­richts als Antrag auf Änderung des Arbeits­ver­trags zu verste­hen, der dem Arbeit­ge­ber in Textform spätes­tens drei Monate vor dem Beginn der gewünsch­ten Arbeits­zeit­re­du­zie­rung bekannt gegeben werden muss. Wird der Arbeits­ver­trag dann in puncto Arbeits­zeit reduziert führt dies auch zu einer Einschrän­kung des Direk­ti­ons­rechts aus § 106 GewO.

Entge­gen­ste­hende betrieb­li­che Gründe

Prinzi­pi­ell muss der Arbeit­ge­ber die vom Arbeit­neh­mer beantragte Arbeits­zeit­re­du­zie­rung akzep­tie­ren, es sei denn, „betrieb­li­che Gründe“ stehen entge­gen (§ 8 Absatz 4 Satz 1 TzBfG). Solche Gründe liegen insbe­son­dere vor, wenn die Verrin­ge­rung der Arbeits­zeit die Organi­sa­tion, den Arbeits­ab­lauf oder die Sicher­heit im Betrieb wesent­lich beein­träch­tigt oder unver­hält­nis­mä­ßige Kosten verur­sacht.

Eine Abwägung zwischen den Inter­es­sen des Arbeit­ge­bers und denen des Arbeit­neh­mers sieht das Gesetz nicht vor. Persön­li­che Belange sind in § 8 TzBfG nicht erwähnt.

Das heißt, die betrieb­li­chen Gründe sind nicht an den persön­li­chen Belan­gen, wegen der Teilzeit beantragt wird, und deren Gewicht zu messen. In diesem Zusam­men­hang ist auch zu beach­ten, dass der grund­sätz­li­che Anspruch auf Arbeits­zeit­ver­rin­ge­rung nicht dazu missbraucht werden darf, die betrieb­li­che Organi­sa­ti­ons­ho­heit des Arbeit­ge­bers zu umgehen. Das Teilzeit­ver­lan­gen des Klägers wird gemäß § 242 BGB als rechts­miss­bräuch­lich einge­stuft, wenn der Kläger zum Beispiel durch das vorder­grün­dige Verlan­gen einer verhält­nis­mä­ßig gering­fü­gi­gen Arbeits­zeit­ver­rin­ge­rung in genau dem Umfang der vorge­se­he­nen Einbring­stun­den errei­chen will, in den Einbring­schich­ten nicht mehr einge­setzt zu werden.

Fazit

Wunsch und Wirklich­keit müssen bei der Festle­gung der Arbeits­zeit auf einen Nenner gebracht werden. Am Rande der Erfah­run­gen der Corona-Zeit scheint die Freizeit gegen­über der Arbeits­zeit von vielen Beschäf­tig­ten bevor­zugt zu werden. Ob sich dieser Trend im Arbeits­markt des Gesund­heits­we­sens durch­set­zen wird, ist in den nächs­ten Jahren sehr genau zu beobach­ten.

Nachvoll­zieh­bar ist, dass das Niveau der gewünsch­ten Arbeits­zeit keine dauer­haft festge­schrie­bene Größe darstellt. Arbeits­zeit­wün­sche können sich im Lebens­ver­lauf bestän­dig verän­dern. Das Arbeits­recht sollte dem folgen und indivi­du­elle der jewei­li­gen Lebens­phase angepasste Modelle in der Umset­zung ermög­li­chen.