Die tatsächlichen Arbeitszeiten stimmen oft nicht mit den Wünschen der Arbeitnehmer in Medizin und Pflege überein. Die Arbeitszeitverkürzungswünsche von überbeschäftigten Angestellten sind nach einem aktuellen Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung empirisch belegt.
Die Gründe hierfür sind unterschiedlicher Natur. In der Hauptsache stellt der familiäre Kontext neben den Job- und Firmenmerkmalen einen entscheidenden Faktor für die Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten dar.
Die Arbeit in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erfolgt regelmäßig im Drei-Schicht-Betrieb, nicht selten bei voller Ausschöpfung der arbeitszeitrechtlichen Tageshöchstgrenzen. Es verwundert daher nicht, dass nach einer Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) fast 64 Prozent der befragten jungen Angestellten im Krankenhaus angaben, dass ihre Gesundheit belastet sei und 56 Prozent, also mehr als jeder Zweite, von Burnout-Symptomen berichtete.
Gesundheitsaspekte
Von Arbeitsmedizinern ist es seit langem anerkannt, dass anhaltend lange Arbeitszeiten zu
- Stress,
- schlechtem Schlaf
- und Erschöpfungszuständen
führen. Die Begrenzung der Arbeitszeit kann daher zum einen gesundheitliche Beeinträchtigungen und daraus resultierende Krankschreibungen verringern und zum anderen die ansteigende Fehlerhäufigkeit in Folge überlanger Arbeitszeiten eindämmen.
Bei genauer Betrachtung besteht daher für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen ein Interesse der Präferenz nach mehr Freizeit bei gleichzeitigem Hochhalten des Arbeitsumfangs zu entsprechen. In der Praxis stößt dieser Flexibilisierungsansatz der Arbeitszeit aber oft auf den Widerstand der Arbeitgeber, insbesondere dann, wenn er bei vollem Lohnausgleich stattfinden soll.
Allgemeine Rechtsaspekte der Arbeitszeitreduzierung
Das Kerngebiet des Arbeitsrechts in den §§ 611 ff. BGB bietet nur lose Anknüpfungspunkte zum Thema „Arbeitszeitreduzierung“. Wie alle anderen zivilrechtlichen Vertragskonstrukte sind auch die Regelungen der Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt. Das heißt: auf einvernehmlicher Basis können die Arbeitsvertragsparteien die Modalitäten des Leistungsaustausches – Lohn gegen Arbeit – bestimmen.
Die Festlegung der Arbeitszeit und die Höhe des Arbeitsentgeltes zählen hierbei zu den sogenannten essentialia negotii, den wesentlichen Vertragseigenschaften. Typischerweise korrelieren beide miteinander. Ob und wie sich die Arbeitszeitflexibiltät auf Gehaltsbestandteile auswirkt, steht daher im Benehmen der beiden Partner des Arbeitsvertrages.
Orientierung bieten dabei zuvorderst die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, welches seinem Zweck nach schon keine Stellschrauben zur Lösung von konkreten Arbeitsreduzierungswünschen anbietet, sondern lediglich die arbeitszeitrechtlichen Rahmenbedingungen vorgibt. Die gehaltsneutrale Reduzierung der Arbeitszeit liegt damit am Ende im Verhandlungsgeschick der Arbeitsvertragsparteien.
Ein weiteres Element der Architektur von Arbeitsverhältnissen, das auf die arbeitsvertragliche Gestaltung der Arbeitszeit ausstrahlt, bildet das Tarifvertragsrecht, dass in seinen Vergütungsbestandteilen wiederum den Anhalt für die Höhe der Vergütungsleistung der Krankenkassen für die Gesundheitseinrichtungen bietet.
Die arbeitsnehmerfreundliche Anpassung der Arbeitsbedingungen ist insoweit den Tarifrunden der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden überlassen, die sich vor dem Hintergrund der aktuellen Arbeitsmarktsituation erfahrungsgemäß als zäh und schwierig erweisen. In der Gesamtschau stellt sich daher das Kerngebiet des Arbeitsrechts als zu starr dar, um systematisch dem Wunsch nach Arbeitszeitreduzierung zu entsprechen.
Teilzeit- und Befristungsgesetz
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) regelt seit dem 21. Dezember 2000 die Rechte der in Teilzeit und Befristung beschäftigten Arbeitnehmer. Zugleich wird aber auch vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern die Möglichkeit eingeräumt eine Verringerung ihrer bisherigen Wochenarbeitszeit zu verlangen, wenn eine Verkürzung der Arbeitszeit nicht durch Einigung mit dem Arbeitgeber erreicht werden kann.
Voraussetzung ist, dass das betreffende Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und der Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 8 Absatz 1 TzBfG). Dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit ist zuzustimmen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen (§ 8 Absatz 4 Satz 1 TzBfG).
Formvorschriften
Das Verlangen des Arbeitnehmers auf Abschluss einer Vereinbarung über die Verringerung der Arbeitszeit und deren Neuverteilung ist vertragsrechtlich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als Antrag auf Änderung des Arbeitsvertrags zu verstehen, der dem Arbeitgeber in Textform spätestens drei Monate vor dem Beginn der gewünschten Arbeitszeitreduzierung bekannt gegeben werden muss. Wird der Arbeitsvertrag dann in puncto Arbeitszeit reduziert führt dies auch zu einer Einschränkung des Direktionsrechts aus § 106 GewO.
Entgegenstehende betriebliche Gründe
Prinzipiell muss der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer beantragte Arbeitszeitreduzierung akzeptieren, es sei denn, „betriebliche Gründe“ stehen entgegen (§ 8 Absatz 4 Satz 1 TzBfG). Solche Gründe liegen insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.
Eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers sieht das Gesetz nicht vor. Persönliche Belange sind in § 8 TzBfG nicht erwähnt.
Das heißt, die betrieblichen Gründe sind nicht an den persönlichen Belangen, wegen der Teilzeit beantragt wird, und deren Gewicht zu messen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der grundsätzliche Anspruch auf Arbeitszeitverringerung nicht dazu missbraucht werden darf, die betriebliche Organisationshoheit des Arbeitgebers zu umgehen. Das Teilzeitverlangen des Klägers wird gemäß § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich eingestuft, wenn der Kläger zum Beispiel durch das vordergründige Verlangen einer verhältnismäßig geringfügigen Arbeitszeitverringerung in genau dem Umfang der vorgesehenen Einbringstunden erreichen will, in den Einbringschichten nicht mehr eingesetzt zu werden.
Fazit
Wunsch und Wirklichkeit müssen bei der Festlegung der Arbeitszeit auf einen Nenner gebracht werden. Am Rande der Erfahrungen der Corona-Zeit scheint die Freizeit gegenüber der Arbeitszeit von vielen Beschäftigten bevorzugt zu werden. Ob sich dieser Trend im Arbeitsmarkt des Gesundheitswesens durchsetzen wird, ist in den nächsten Jahren sehr genau zu beobachten.
Nachvollziehbar ist, dass das Niveau der gewünschten Arbeitszeit keine dauerhaft festgeschriebene Größe darstellt. Arbeitszeitwünsche können sich im Lebensverlauf beständig verändern. Das Arbeitsrecht sollte dem folgen und individuelle der jeweiligen Lebensphase angepasste Modelle in der Umsetzung ermöglichen.