Hubert Aiwanger ist nicht nur in Bayern politisch aktiv – er ist auch Spitzenkandidat der Freien Wähler bei der Bundestagswahl. Das muss man wissen. Maximale Aufmerksamkeit erwünscht. Also dann hört mal alle her: Arbeitslose in die Pflege, auf die Bauhöfe und in die Parks! Das muss! Wer nicht arbeitet, dem kürzen wir Hartz IV um 30 Prozent. So seine Forderung.
Denn es herrsche ja gerade ein Pflegenotstand – und Menschen scheinen da wahllos austauschbar. Wo zuwenige sind, sollen mehr hin – ganz gleich, ob sie was können oder nicht. In einem Bienenstock mag das gut aussehen, wenn man die freien Lücken in den Waben mit fleissigen Bienchen stopft. Aber in der Pflege? In der Humanmedizin?
Es solle auf alle Fälle nicht auf Schikane oder Demütigung rauslaufen, erklärt der 50-Jährige, dessen Partei mit der CSU in einer Koalition in Bayern regiert. „Ich würde Leute dort einsetzen, wo wir früher Zivildienstleistende eingesetzt hatten. (…) Wir sind ja mitten in einem Pflegenotstand, jede helfende Hand ist dort dringend gebraucht.“
Und das in Zeiten, in denen der Pflegeberuf eigentlich aufgewertet werden soll, nachdem er über eineinhalb Jahre so im Fokus der Öffentlichkeit gestanden hat. Aber vielleicht ist genau dieser Fokus Aiwangers eigentliches Ziel. Da wo alle hinschauen, ist dann halt auch der umtriebige Bayer am Werk. Das ist populistisches Einmaleins. Eine Grundrechenart für politisch-professionalisierte Marktschreier, die man in der Szene beherrschen muss. Aber leider eben auch nicht höhere strategische Mathematik. Denn Zwangsdienste bewirken oftmals das Gegenteil.
Qualifizierte, gut bezahlte und zufriedene Menschen in Pflegeberufen muss das Ziel sein – und nicht Lohndumping durch Zwangsverpflichtete. In Aiwangers schöner neuer Pflegewelt kämen Arbeitslose in ein Klima, das schon geprägt ist von Überlastung, Unsicherheiten und Frustration. Ideal? Förderlich für die Motivation aller? Wie würden die eilig angelernten Hilfspflegekräfte unter den Kolleginnen und Kollegen akzeptiert werden, wenn sie vielleicht auch noch durchblicken lassen, nur so lange pflegen zu wollen, wie sie müssen? Quereinsteiger hat es immer gegeben. Aber Querverhaftete?
Wie ist es um die intrinsische Motivation einer Person bestellt, die sich für einen Pflegeberuf entscheidet? Wünschen wir uns nicht „Überzeugungstäter“ in diesem Berufsfeld? Mit welcher Kraft gehen diese Menschen ans Werk, wenn es um die Verbesserung des Zustandes eines anderen Menschen geht?
Wenn ich mir diese Fragen stelle, kommen ständig neue dazu. Wie ist das bei Ihnen?