Angesichts sich immer weiter verschlechternder Rahmenbedingungen – hohe Inflation, chronischer Personalmangel in der Pflege, höhere Eigenbeträge für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, die Nachwirkungen der Coronapandemie wie Kündigungswellen beim Personal und den zahlreichen pandemiebedingten Todesfällen von Heimbewohnern – hat der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) vor einem „Heimsterben“ in Deutschland gewarnt.
Rund 200 Insolvenzen seit Jahresbeginn – darunter auch überregional tätige Unternehmen
Bereits seit Jahresanfang habe es in der Pflege rund 200 Schließungen und Insolvenzen gegeben. Mit den privaten Unternehmen Curata und Convivo sowie der Hansa-Gruppe befinden sich unter den Insolvenzfällen auch überregional tätige Unternehmen, die eine Vielzahl von Heimen mit jeweils insgesamt Tausenden Pflegeplätzen unterhielten. Auch der Seniorenheim- und ‑wohnanlagen-Bauträger Primus Concept Holding aus München, mit Projekten in Planung und Bau im Volumen von rund 240 Millionen Euro, befindet sich unter den Unternehmen in finanziellen Nöten.
AGVP-Präsident Thomas Greiner forderte von der Politik eine Finanzspritze für die Heime sowie die Abschaffung unrealistischer Personalschlüssel. Außerdem müssten Pflegekassen, Länder und Kommunen ihren gesetzlichen Finanzierungspflichten nachkommen, anstatt – wie bislang verbreitet – anteilige Zahlungen für Pflegebedürftige stark verzögert zu leisten und die Heime bei der Mitfinanzierung von Investitionskosten im Stich zu lassen.
„Kalkulieren mit Belegungszahlen, die nicht stimmen; mit Personal, das wir nicht haben“
Von Seiten der Bundesregierung gelte es, in den Krisenmodus zu schalten und Pflegeheime von nicht mehr erfüllbaren Planzielen zu befreien. „Wir müssen uns in der Pflegepolitik von Illusionen verabschieden und der Wirklichkeit zuwenden. Derzeit kalkulieren wir mit Belegungszahlen, die nicht mehr stimmen, mit Personal, das wir nicht haben, und betrachten uns als Magnet für ausländische Fachkräfte, der wir nicht sind“, verdeutlichte er.
Derzeit sei eine Belegung von 96 bis 98 Prozent erforderlich, um die gesetzlich vorgeschriebene wirtschaftliche Betriebsführung zu ermöglichen. Die durchschnittliche Belegung liege aber zum Beispiel bei den AGVP-Mitgliedsunternehmen lediglich bei 82 Prozent. Häufig führe der Fachkräftemangel dazu, dass Interessenten für einen Heimplatz abgewiesen werden müssten.
Heimsterben: Mit Phantom-Pflegekräften arbeiten?
Hier gelte es, sich ehrlich zu machen, so Greiner. „Alle reden vom Arbeitskräftemangel, aber in der Altenpflege werden Personalvorgaben gemacht, als gäbe es in den Heimen eine Bewerberschwemme. Hier wird mit Phantom-Pflegekräften geplant – bis zum bösen Erwachen, wenn die Betreiber wegen Personalmangels das Heim schließen müssen. Wir müssen uns von diesem Goldstandard verabschieden.“ Es gelte flexible Regelungen zu treffen, die sich an der Wirklichkeit orientieren, anstatt an Personalschlüsseln, „die in Theoriestuben erdacht wurden“, so der AGVP-Präsident weiter.
Leichtere Anerkennung von ausländischen Fachkräften
Als Teil der Lösung für den Fachkräftemangel setzt sich der AGVP dafür ein, ausländischen Pflegekräften den beruflichen Start in Deutschland zu erleichtern und die Hürden hierfür zu senken. Denn derzeit verspiele Deutschland seine Chancen mit starren Bürokratie-Hürden und Einzelfallprüfungen; in dieser Zeit würden sich emigrationswillige Pflegekräfte für ein anderes Land entscheiden, das bessere Bedingungen biete und eine schnellere Einwanderung ermögliche.
Der 2009 gegründete AGVP e.V. vertritt nach eigenen Angaben 955 Mitgliedsunternehmen mit rund 80.000 Mitarbeitern, darunter die namhaftesten und größten Unternehmen der Altenpflege.