Nicht selten landen diese Auseinandersetzungen vor den Arbeitsgerichten, denen dann die prozessuale Aufgabe zukommt die exakte Höhe des Nachtarbeitszuschlages festzusetzen. So auch in diesem Fall hier:
Ein Fall aus der Praxis
Anwaltlich vertreten forderte eine Altenpflegerin im Juli 2019 – zunächst außergerichtlich – von Ihrem Arbeitgeber, einer stationären Pflegeheimbetreiberin für insgesamt 142 Nachtdienste einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 Prozent, den sie nach ihren Berechnungen mit 4,88 Euro beziffert. Der Arbeitsvertrag sieht lediglich einen Zuschlag in Höhe von 2 Euro pro je Stunde Nachtarbeit vor. Vorgesehen ist zudem, dass für die Geltendmachung von Ansprüchen bestimmte Ausschlussfristen gelten.
Nachdem eine einvernehmliche Einigung nicht herbei geführt werden konnte, begehrt sie dann später vor dem Arbeitsgericht Mainz für den zurückliegenden Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis 31. August 2019 für insgesamt 142 Nachtdienste die Zahlung eines Betrages von 2.507,72 Euro.
Mit dem Blick auf die Ausschlussfristen möchte die Altenpflegerin überdies separat für die Zeit ab dem 1. September 2019 festgestellt haben, dass die Pflegeeinrichtung auch hierfür einen Nachtzuschlag von 4,88 Euro pro Nachtarbeitsstunde zu zahlen hat.
Unterschiedliche Auffassungen vom Nachtdienst
Über die Intensität der nächtlichen Arbeitsleistungen bestehen unterschiedliche Auffassungen. Einigkeit besteht lediglich über die Rahmenbedingungen des Nachtdienstes der Klägerin: In der beklagten Pflegeeinrichtung werden regelmäßig drei Nachtwachen eingeplant; eingesetzt werden eine examinierte Pflegefachkraft und zwei Pflegehilfskräfte. Der Nachtdienst beginnt regelmäßig um 21:45 Uhr und endet um 6:30 Uhr.
Zur Begründung ihrer Zahlungsforderung führte die Altenpflegerin unter anderem aus, dass sie nachts umfassende Pflegearbeiten wahrzunehmen habe. Hierzu zählen etwa häufig erforderliche Bedarfsmedikamentationen und ‑behandlungen, die kontinuierlichen Kontrollen bei zuckererkrankten Bewohnern, die Atemhilfe bei Bewohnern mit einem Tracheostoma, die Sorge für umherirrende dementiell erkrankte Bewohner und die kontinuierliche Pflegebetreuung und Kontrolle sterbender Bewohner.
Die Verantwortlichen der Pflegeeinrichtung stehen demgegenüber auf dem Standpunkt, dass aufgrund der besonderen Umstände ein Zuschlag von 10 Prozent für die Arbeit in der gesetzlichen Nacht von 23:00 bis 6:00 Uhr ausreichend sei. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass im Nachtdienst nicht unerhebliche Phasen der Entspannung anfielen und viele andere Aufgaben, wie beispielsweise die Behandlungspflege, auf ein Minimum reduziert seien.
Das Urteil zum Nachtarbeitszuschlag
Nachdem vom Arbeitsgericht Mainz in der ersten Instanz 1.672,72 Euro zugesprochen worden sind, haben die Pflegeeinrichtungsbetreiber Berufung eingelegt. Die Richter beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz blieben ebenfalls hinter der Klageforderung zurück, weil die Zahlungsansprüche der Klägerin für die Nachtarbeitszuschläge in der Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. August 2019 wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung nach der Ausschlussklausel als verfallen gewertet worden sind.
Mit dem Blick auf den Ausgleichsanspruch gemäß § 6 Absatz 5 ArbZG für die Zeit ab dem 1. September 2019 ist das Gericht jedoch zu der Feststellung gekommen, dass hier eine bezahlte Freistellung im Umfang von 25 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts (= 4,04 Euro pro Stunde) bzw. die Gewährung eines entsprechenden Freizeitausgleichs verlangt werden kann. Bei der Bemessung der Höhe haben sich die Richter am Landrichter an der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts orientiert.
Vor dem Hintergrund der Belastungen der Klägerin in ihrem Nachtdienst erschien die Annahme des Regelwertes von 25 Prozent für die Nachtarbeitsstunde den Richtern der Berufungsinstanz als sachgerecht. Im Ergebnis hat die Altenpflegerin einen Zuschlag von 4,04 Euro für 455 Stunden erstritten (= 1.838,20 Euro), von denen dann noch der gezahlte Zuschlag von 2 Euro sowie die Zeiten der Pausenkorridore abzuziehen gewesen sind.
Fazit
Dauerhafte Nachtarbeit kann das körperliche Wohlbefinden beeinträchtigen. Der gesetzlichen Ausgleichanspruch soll in diesem Sinne dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer dienen. Es soll versucht werden, die Nachtarbeit zu minimieren und einen Anreiz zu schaffen, Arbeiten möglichst am Tag auszuführen.
Im stationären Gesundheitsdienst gelingt das aber oftmals nicht. Deshalb muss hier besonders darauf geachtet werden, dass die Höhe des Nachtarbeitszuschlages dem tatsächlichen Arbeitsanfall gerecht wird. Diese Abwägung ist in dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz unter qualitativen und quantitativen Aspekten sorgfältig vorgenommen worden.
Für die Einhaltung der 25-Prozent-Grenze spricht letztlich auch der steuerrechtliche Aspekt: Nach § 3b Absatz 1 Nummer 1 EStG sind Ausgleichszuschläge die für „tatsächlich geleistete“ Sonntags‑, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden steuerfrei, sofern sie nicht 25 Prozent des Grundlohnes übersteigen.
Gut zu wissen:
- Nachtarbeitnehmer müssen mindestens 48 Tage Nachtarbeit im Jahr leisten oder Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben.
- Das Bundesarbeitsgericht nimmt einen Regelwert von 25 Prozent für den Nachtarbeitszuschlag auf das Bruttostundenentgelt an.
- Bei Dauernachtarbeit erhöht sich der Anspruch in der Regel auf 30 Prozent.
- Für den Arbeitnehmer besteht ein Wahlrecht zur Kompensation der nächtlichen Arbeitszeit zwischen Geld und Freizeitausgleich.
- Zuschläge für Nachtarbeit sind steuerfrei, wenn sie nicht 25 Prozent des Grundlohns übersteigen.