Für den aktuellen Fehlzeiten-Report der AOK wurden im Februar und März 2022 2.500 Beschäftigte befragt. Die Antworten sind eindeutig: Unternehmerische Sozialversicherung, bedeutet gesündere, zufriedenere und motiviertere Mitarbeiter.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, betont: „Moderne Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber engagieren sich gesellschaftlich und übernehmen Verantwortung für die Gesundheit ihrer Beschäftigten, gerade auch in den aktuellen Krisenzeiten. Dagegen sind Unternehmen, die die Gesundheit ihrer Beschäftigten immer noch für deren Privatsache halten, längst old school.“
In der Befragung wurden klassische Themen der Unternehmensverantwortung (auch Corporate Social Responsibility oder CSR) abgefragt wie Fairness im Umgang mit Geschäftspartnern oder Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten. Diese Antworten wurden dann mit Selbstauskünften zu Leistungsbereitschaft, Verbundenheit mit dem Unternehmen und Arbeitszufriedenheit verknüpft.
Dabei zeigte sich eine klare Korrelation: Bei den Beschäftigten, die ihrem Unternehmen eine besonders hohe Unternehmensverantwortung bescheinigen, geht dies bei 96,7 Prozent mit hoher Leistungsbereitschaft, bei 95,6 Prozent mit hoher Verbundenheit mit dem Unternehmen und bei 96,5 Prozent mit hoher Arbeitszufriedenheit einher. Umgekehrt sieht man in der Beschäftigtengruppe, die in ihrem Unternehmen eine niedrige Unternehmensverantwortung wahrnehmen, nur bei 76,4 Prozent eine hohe Leistungsbereitschaft, bei 60,6 Prozent eine hohe Unternehmensverbundenheit und bei 69,6 Prozent eine hohe Arbeitszufriedenheit.
Mitarbeiter: Weniger emotionale Belastungen
Auch auf die Psyche der Mitarbeiter hat unternehmerische Verantwortung eine positive Auswirkung. In der Befragung berichteten die Beschäftigten, die ihr Unternehmen als sehr sozial verantwortlich wahrnahmen, über deutliche weniger emotionale Belastungen. 86,1 Prozent dieser Gruppe empfinden keine oder nur selten Wut und Verärgerung im Arbeitsalltag.
Bei den Beschäftigten, die ihrem Unternehmen sehr wenig Verantwortung bescheinigen, sind es dagegen nur 45,1 Prozent – also volle 41 Prozentpunkte weniger. Auch bei psychosomatischen Beschwerden zeigt sich diese Differenz: Bei Erschöpfung beträgt sie 30,2 Prozentpunkte und bei Schlafstörungen 26,4 Prozentpunkte. Nicht zuletzt auch bei körperlichen Beschwerden sind die Unterschiede messbar: Bei Rücken- und Gelenkbeschwerden ergibt sich ein Unterschied von 20,8, bei Kopfschmerzen von 19,9 Prozentpunkten.
In den Fehltagen der Beschäftigten zeigt sich ebenfalls deutlich, warum sich soziale Verantwortung für Unternehmen auszahlt: Beschäftigte, die die Unternehmensverantwortung als gut bewerteten, fehlten in den letzten 12 Monaten krankheitsbedingt 9,7 Tage. Beschäftigte, die die Unternehmensverantwortung als schlecht einstuften, waren dagegen 14,2 Tage krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Das gleiche Bild zeigt sich bei den Auskünften zum Präsentismus: Beschäftigte, die die Unternehmensverantwortung positiv bewerten, erschienen deutlich weniger oft krank zur Arbeit als Beschäftigte, die ihr Unternehmen diesbezüglich negativ bewerten.
Unternehmerische Verantwortung beginnt bei den eigenen Mitarbeitern
Der Zusammenhang zwischen unternehmerischer Verantwortung und Fürsorge für die Mitarbeiter wird durch den Report ebenfalls bestätigt. Helmut Schröder, Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports und stellvertretender Geschäftsführer des WIdO, erklärt: „Soziale Unternehmensverantwortung geht über die landläufige „Corporate Social Responsibility“, also dem fairen Umgang mit allen Beteiligten, dem gesellschaftlichen Engagement und dem Umweltschutz, hinaus. Verantwortungsvolle Unternehmen sollten die Gesundheit der Beschäftigten nicht aus den Augen verlieren und nachhaltig in gesundheitsorientierte Führung sowie Angebote der Betrieblichen Gesundheitsförderung investieren.“
Beschäftigte, die ihr Unternehmen im Bezug auf gesellschaftliches Engagement und fairen Umgang überdurchschnittlich gut bewerten, nehmen auch ihre Führungskraft deutlich positiver wahr: Die Zustimmung zu Aussagen wie „Meine Führungskraft sorgt für einen positiven Umgang miteinander“ oder „Meiner Führungskraft ist es wichtig, die gesundheitlichen Belastungen an meinem Arbeitsplatz zu mindern und Risiken abzubauen“ ist bei Beschäftigten, die die Unternehmensverantwortung als gut bewerten, um 26,5 Prozent beziehungsweise 31,1 Prozent höher als bei Beschäftigten, die die Unternehmensverantwortung als schlecht einstuften.
Stresstest für die Beziehung zwischen Unternehmen und Beschäftigten
Die Coronapandemie sorgt nach wie vor in vielen Unternehmen für krankheitsbedingten Personalmangel. Die coronabedingten Ausfälle erreichten im März 2022 ihren vorläufigen Höhepunkt. Das hat Auswirkungen auf Körper und Psyche der Mitarbeiter: Da die Arbeit mit weniger Personal geschafft werden muss, ist nicht nur die körperliche Belastung höher, was zu einem messbaren Anstieg von Rücken- und Gelenkbeschwerden führt. Auch psychosomatische und emotionale Beschwerden wie Schlafstörungen, Erschöpfung, Antriebslosigkeit und Verärgerung nehmen zu.
Der Mitherausgeber und Studienautor Schröder empfiehlt Unternehmen deshalb, das Betriebliche Gesundheitsmanagement zu intensivieren. „Die aktuellen Krisen führen häufig zu einem Stresstest in der Beziehung zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten. In dieser Situation können Mitarbeitendenbefragungen und Arbeitsunfähigkeitsanalysen den Dialog zwischen Unternehmensleitung, Führungskräften und Mitarbeitenden stärken. Nur so werden gemeinsam Lösungen gefunden, die am Ende für mehr Zufriedenheit, eine bessere Gesundheit und eine größere Unternehmensbindung sorgen.“
Ein weiteres Motiv für mehr Betriebliche Gesundheitsförderung liefert der Fachkräftemangel. AOK-Verbandschefin Reimann: „Ständig fehlendes oder krankes Personal gefährdet den Unternehmenserfolg, das Ansehen und die Produktivität. Im Gesundheitswesen gilt dies umso mehr, als die Arbeitsbelastung und der Personalverschleiß etwa in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern enorm ist und sich dieser Umstand natürlich negativ auf die Versorgungsqualität auswirkt.“ Unternehmen, die ihre soziale Verantwortung nach innen und außen leben, hätten nicht nur in punkto Arbeitsbedingungen, sondern auch ökonomisch die besseren Karten.
Kommentar: Schon immer gewusst
Es ist gut, dass die Rentabilität von sozialer Verantwortung jetzt mit Zahlen belegt ist. Allerdings ist es erschreckend, dass im Jahr 2022 die Tatsache, dass emphatische Führungskräfte und ein unternehmerisches Bewusstsein um die Gesundheit der Beschäftigten zu besseren Arbeitsergebnissen führt, immer noch eine Nachricht ist. Bereits seit den 1990er Jahren sind unternehmerische Soft Skills wie Empathie und emotionale Intelligenz immer wieder Thema. Leider scheinen sie in den vergangenen 30 Jahren nicht in den Führungsetagen angekommen zu sein. Denn sonst wäre das Betriebliche Gesundheitsmanagement längst eine Selbstverständlichkeit.
Quelle: AOK Bundesverband