Anwalt bei einem Behandlungsfehler
Wenn Patien­ten mit dem Anwalt drohen, ist höchste Vorsicht geboten. Bild: Piotrs Adamo­wicz – Dream­stime

Erste Schritte: Invol­vierte Perso­nen infor­mie­ren

Auch ohne eigenes Fehlver­hal­ten können Pflege­fach­kräfte und Ärzte leicht ins Visier von Patien­ten, ihrem Anwalt und Kranken­ver­si­che­rern geraten. Allein im Jahr 2022 gab es im statio­nä­ren und ambulan­ten Bereich über 13.000 Vorwürfe von Behand­lungs­feh­lern.

Ist der Schaden­fall bekannt gewor­den, müssen zunächst alle Perso­nen, die am Behand­lungs­ge­sche­hen invol­viert waren, koordi­niert werden. Auf jeden Fall sollte also die betrof­fene Pflege­fach­kraft und der dienst­ha­bende Arzt den unmit­tel­bar Vorge­setz­ten oder die Pflege­dienst­lei­tung über die Situa­tion infor­mie­ren. Diese sind für die Koordi­na­tion der weite­ren Schritte verant­wort­lich und konsul­tie­ren den Arbeit­ge­ber und die Rechts­ab­tei­lung des Hauses.

Ganz wichtig ist es in diesen Schrit­ten, die Infor­ma­tio­nen äußert vertrau­lich zu behan­deln. Es dürfen keine Details mit Kolle­gen oder anderen Perso­nen geteilt werden, die nicht direkt invol­viert sind.

Außer­dem sollte der Haftpflicht­ver­si­che­rer umgehend in Kennt­nis gesetzt werden. Dem Arbeit­ge­ber obliegt gemäß Ziffer 25.1. AHB gegen­über dem Haftpflicht­ver­si­che­rer die schrift­li­che Bekannt­gabe des Haftpflicht­scha­dens inner­halb einer Woche.

In den Schaden­ab­tei­lun­gen der Haftpflicht­ver­si­che­rer sitzen juris­ti­sche Exper­ten, die eine zuver­läs­sige Bewer­tung des Vorwurfs vorneh­men können.

Auf keinen Fall die Schuld einge­ste­hen!

Der Bewer­tung des Haftpflicht­ver­si­che­rers darf in keinem Fall vorge­grif­fen werden. Deshalb dürfen keine verbind­li­chen Erklä­run­gen zu Haftungs­fra­gen gegen­über dem Patien­ten abgege­ben werden.

Eine wichtige Infor­ma­tion für den Austausch mit dem Patien­ten: Pflege­kräfte und Ärzte schul­den dem Patien­ten nur die standard­mä­ßige Behand­lung, nicht aber den Behand­lungs­er­folg.

Oder in anderen Worten: Eine Behand­lung, die nicht das vom Patien­ten gewünschte Ergeb­nis erzielt hat, führt nicht automa­tisch zu einer Haftung der betrof­fe­nen Behand­ler.

Unter keinen Umstän­den sollten also Schuld­an­er­kennt­nisse abgege­ben werden. Das verbie­tet das sogenannte Anerkennt­nis­ver­bot (§ 105 VVG). Eine Klausel, die in der Regel in Versi­che­rungs­ver­trä­gen enthal­ten ist.

Sie verbie­tet, dass der Versi­che­rungs­neh­mer ohne Zustim­mung des Versi­che­rers Ansprü­che eines Dritten – in dem Fall des Patien­ten – befrie­di­gen darf.

Dieses Anerkennt­nis­ver­bot enthält zugleich das Recht, ein schuld­haf­tes Verhal­ten zu leugnen oder keiner­lei Erklä­run­gen abzuge­ben. So soll sicher­ge­stellt werden, dass nur berech­tigte Ansprü­che anerkannt oder bezahlt werden.

Wer der Beurtei­lung des Falls durch den Haftpflicht­ver­si­che­rer vorweg­greift und gegen­über dem Patien­ten Fehler einge­steht, gefähr­det also seinen Versi­che­rungs­schutz.

Kommu­ni­ka­tion mit dem Patien­ten

Das bedeu­tet nicht, dass die Kommu­ni­ka­tion mit dem Patien­ten vollstän­dig einzu­stel­len ist. Grund­sätz­lich können außer­ge­richt­li­che Gesprä­che dazu geeig­net sein den Gesche­hens­ab­lauf zu deeska­lie­ren.

Trotz­dem ist äußerste Vorsicht geboten, weil die Kontakt­auf­nahme mit dem Patien­ten bzw. dessen juris­ti­schen Vertre­ter immer auch eine Gratwan­de­rung zwischen Selbst­be­zich­ti­gung und Selbst­ver­tei­di­gung ist.

Ist es strei­tig, ob tatsäch­lich ein Behand­lungs­feh­ler vorliegt oder ist das Verhält­nis zum Patien­ten stark gestört, sollten Gesprä­che sicher­heits­hal­ber unter­blei­ben.

Sind Gesprä­che gewünscht, sollten diese immer im Beisein einer weite­ren vertrau­ten Person geführt werden. So kann ausge­schlos­sen werden, dass Beweis­schwie­rig­kei­ten auftre­ten oder Aussa­gen falsch inter­pre­tiert werden.

Wichtig: Dokumen­ta­tion sichern

Während betrof­fene Pflege­kräfte und Ärzte die Bewer­tung des Vorfalls dem Haftpflicht­ver­si­che­rer überlas­sen, können sie sehr wohl dabei helfen, den Sachver­halt aufzu­klä­ren.

Sämtli­che Pflege­do­ku­men­ta­tion und relevante Unter­la­gen, die den Fall betref­fen, sollten vollstän­dig und genau gesichert werden. Dies beinhal­tet Pflege­be­richte, Medika­ti­ons­lis­ten, Einwil­li­gungs­er­klä­run­gen und jegli­che Kommu­ni­ka­tion mit dem Patien­ten.

Die Dokumen­ta­tion ist recht­lich vorge­ge­ben und für genau solche Fälle gedacht, in denen Haftungs­fra­gen entste­hen. Eine ausführ­li­che Dokumen­ta­tion kann vor allem bei unrecht­mä­ßi­gen Anschul­di­gun­gen eines Behand­lungs­feh­lers den entschei­den­den Unter­schied machen.

In § 630f BGB ist die Dokumen­ta­ti­ons­pflicht festge­hal­ten. Demnach ist der Behan­delnde dazu verpflich­tet

„sämtli­che aus fachli­cher Sicht für die derzei­tige und künftige Behand­lung wesent­li­chen Maßnah­men und deren Ergeb­nisse aufzu­zeich­nen, insbe­son­dere die Anamnese, Diagno­sen, Unter­su­chun­gen, Unter­su­chungs­er­geb­nisse, Befunde, Thera­pien und ihre Wirkun­gen, Eingriffe und ihre Wirkun­gen, Einwil­li­gun­gen und Aufklä­run­gen.“

Damit auch Fälle, die weiter zurück­lie­gen, verläss­lich dokumen­tiert sind, müssen Patien­ten­ak­ten für zehn Jahre nach Abschluss der Behand­lung aufbe­wahrt werden.

Bevor jedoch Patien­ten­da­ten an den Versi­che­rer oder andere preis­ge­ge­ben werden, ist immer an die Einwil­li­gung des Patien­ten hierzu zu denken. Hier greift die sogenannte Schwei­ge­pflichtsent­bin­dungs­er­klä­rung.

Die Schwei­ge­pflichtsent­bin­dung wird gebraucht, damit Geheim­nis­trä­ger über den Fall sprechen dürfen. Das ist vor allem dann nötig, wenn es um Leistun­gen von Versi­che­rern oder ein Gerichts­ver­fah­ren geht.

Müssen Behand­lungs­un­ter­la­gen verschickt werden, ist außer­dem zu beach­ten, dass nur die Kopien der Dokumen­ta­tion in den posta­li­schen oder digita­len Versen­dun­gen kommen. Die Origi­nale sollten grund­sätz­lich immer in eigener Hand verblei­ben.

Was tun, wenn der Fall an die Öffent­lich­keit gerät?

In einigen Fällen kann es vorkom­men, dass an dem Schadens­er­eig­nis ein öffent­li­ches Inter­esse besteht. Hier ist unbedingt ein profes­sio­nel­ler Umgang mit der Presse erfor­der­lich.

Entspre­chend sollte die Kommu­ni­ka­tion mit der Öffent­lich­keit durch eine neutrale, nicht persön­lich betrof­fene Person erfol­gen. Am besten geeig­net ist hier ein Presse­spre­cher oder der Rechts­an­walt.

Bei jegli­chen Infor­ma­tio­nen, die nach außen getra­gen werden, ist zu beach­ten, dass nicht zu viel über die Behand­lungs­um­stände preis­ge­ge­ben wird.

Zwar gibt es nach Artikel 5 GG einen Anspruch der Öffent­lich­keit auf Infor­ma­tion. Dieses Recht muss aller­dings sorgfäl­tig mit dem Gebot der Schwei­ge­pflicht (§ 203 StGB) abgewo­gen werden.

Sollte sich die Situa­tion nach Abwägung beider Rechte nicht klar gestal­ten, ist im Zweifel immer das Persön­lich­keits­recht (Artikel 1 GG in Verbin­dung mit Artikel 2 GG) des Patien­ten zu priori­sie­ren.

FAQ

Welche Schritte sollen Pflege­fach­kräfte und Ärzte unter­neh­men, wenn ein Behand­lungs­feh­ler vermu­tet wird?

Alle betei­lig­ten Perso­nen müssen ihre Vorge­setz­ten oder die Pflege­dienst­lei­tung infor­mie­ren, die dann den Arbeit­ge­ber und die Rechts­ab­tei­lung konsul­tie­ren. Der Haftpflicht­ver­si­che­rer muss umgehend infor­miert werden und alle Infor­ma­tio­nen sind vertrau­lich zu behan­deln?

Was ist das Anerkennt­nis­ver­bot und warum ist es wichtig?

Das Anerkennt­nis­ver­bot unter­sagt es dem Versi­che­rungs­neh­mer, ohne Zustim­mung des Haftpflicht­ver­si­che­rers, Ansprü­che eines Dritten anzuer­ken­nen oder zu befrie­di­gen. Das ist sinnvoll, weil der Versi­che­rer so die Möglich­keit hat, die Ansprü­che zu prüfen und sicher­zu­stel­len, dass nur berech­tigte Ansprü­che anerkannt werden.

Wie sollten Pflege­fach­kräfte mit dem Patien­ten kommu­ni­zie­ren, wenn dieser mit dem Anwalt droht?

In der Kommu­ni­ka­tion mit dem Patien­ten dürfen keine verbind­li­chen Erklä­run­gen zu Haftungs­fra­gen abgege­ben werden. Gesprä­che sollten gegebe­nen­falls im Beisein einer weite­ren vertrau­ten Person statt­fin­den, um Missver­ständ­nisse zu vermei­den.

Fazit

Sollte ein Patient wegen eines vermu­te­ten Behand­lungs­feh­lers mit dem Anwalt drohen, ist eine sorgfäl­tige und koordi­nierte Vorge­hens­weise wichtig, um recht­li­che und versi­che­rungs­tech­ni­sche Probleme zu vermei­den.

Pflege­fach­kräfte und Ärzte sollten sofort ihre Vorge­setz­ten und diese dann den Haftpflicht­ver­si­che­rer infor­mie­ren. Alle Schritte sind vertrau­lich zu behan­deln.

Eine gründ­li­che Dokumen­ta­tion ist essen­zi­ell, um den Sachver­halt zu klären und mögli­che unberech­tigte Anschul­di­gun­gen abzuweh­ren. Es ist entschei­dend, keine Haftungs­an­er­kennt­nisse ohne Zustim­mung des Versi­che­rers abzuge­ben, um den Versi­che­rungs­schutz nicht zu gefähr­den.

Bei der Kommu­ni­ka­tion mit dem Patien­ten und der Öffent­lich­keit ist äußerste Vorsicht geboten, um sowohl die recht­li­chen Anfor­de­run­gen als auch das Persön­lich­keits­recht des Patien­ten zu wahren.