Menschen in Pflegeberufen haben nicht nur eine besondere Fürsorgepflicht, sie genießen auch besonders hohes Vertrauen. Wenn dieses missbraucht wird, wie im Falle der damals 40-jährigen ausgebildeten Altenpflegerin in Neuss, sorgt dies für besonderes öffentliches Interesse. Neben der Westdeutschen Zeitung und Rheinischen Post berichteten auch Radiosender und die Süddeutsche Zeitung über die Umstände der Tat und die Gerichtsverfahren. In erster Instanz wurde die Angeklagte des gewerbsmäßigen Betruges schuldig befunden, da sie sich „durch die fortlaufende Begehung gleichgelagerter Straftaten (…) eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Gewicht verschaffte“. Das Landgericht Düsseldorf urteilte nun etwas milder und wandelte am 2. September 2020 die Gefängnisstrafe in eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren um. Und dies obwohl die Angeklagte bereits 2009, 2014 und 2016 wegen Betrugsdelikten in insgesamt 14 Fällen verurteilt worden war. Das Urteil ist rechtskräftig.
Das Motiv für den Betrug
Die Angeklagte arbeitete zum Tatzeitpunkt als Pflegekraft in Vollzeit (!) auf 450-Euro-Basis bei einem Neusser Pflegedienst, was Fragen jenseits des Gerichtsverfahrens aufwirft. Als Motiv für ihre Tat gab die alleinerziehende Mutter Geldsorgen an. Der Vater ihrer 17-jährigen Tochter sei seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachgekommen. Wegen der schulischen Situation ihres sechsjährigen Sohnes habe sie nur eingeschränkt arbeiten können. Vor dem Amtsgericht Neuss wies sie noch jede Schuld von sich und versuchte den Verdacht auf andere zu lenken. Das Gericht stufte dies jedoch als unglaubwürdige „Schutzbehauptungen“ ein. Nun zeigte sie erstmals Reue: Die Deutsche Presse-Agentur zitiert sie mit den Worten „Ich schäme mich dafür“.
Insgesamt 129.800 Euro hatte die von ihrem Opfer stets als Ivana angesprochene Angeklagte im Zeitraum April bis Juni 2016 von dessen Konten abgehoben. „Um sie für sich zu behalten und in dem Wissen keinen Anspruch auf die Geldbeträge zu haben“, wie das Amtsgericht Neuss in erster Instanz feststellte (Az.: 2 Ls 23/18). Zunächst mit einer Postbank-EC-Karte, die er ihr unter dem Versprechen aushändigte, ihm bei der Sichtung von Unterlagen und der Erledigung von Geschäften zu helfen. Später auch mit einer Commerzbank-EC-Karte, derer sie sich ohne sein Wissen bemächtigte. Bei einigen größeren Abhebungen benötigte Ivana die Unterschrift ihres Opfers und nahm die Bargeldabhebungen in dessen Anwesenheit vor.
Erwiesenermaßen Betrug
Aufnahmen von Überwachungskameras zeigten, dass sie die anderen Abhebevorgänge alleine vorgenommen hatte. Bei der Beweisaufnahme war auch eine polizeiliche Aussage des Geschädigten gegenüber der Polizei verlesen worden. In dieser bestritt er, Ivana zu Geldabhebungen an Automaten autorisiert zu haben. Der vernehmende Polizeibeamte und andere Zeugen bekundeten vor Gericht, dass der Geschädigte zu diesem Zeitpunkt noch „Herr seiner Sinne“ gewesen sei. Dessen Demenzerkrankung und Bettlägerigkeit verhinderte jedoch zum Zeitpunkt des Verfahrens, „Gerichtstermine wahrzunehmen, insbesondere aufgrund seiner fortgeschrittenen Störung der kognitiven Fähigkeiten“. Als strafverschärfend wertete das Gericht die Tatsache, dass sie mit ihrem Betrug „einen alten und trauernden Mann in seinem Vertrauen missbraucht“ habe.
Ein wenig Schuldbewusstsein muss die Angeklagte aber wohl schon während ihrer sechs betrügerischen Straftaten und der 23 Computerbetrugsdelikte gehabt haben. So zahlte sie insgesamt 30.000 Euro wieder auf die Konten des Geschädigten ein.
Senioren massenhaft Opfer von Betrugsversuchen
Doch der mittlerweile 84-jährige Neusser ist nicht das einzige Opfer. Betrüger versuchen auf verschiedenen Wegen und in vielfältigen Formen, an Geld und Wertsachen ihrer Opfer zu kommen. Gerade Senioren sind oft das Ziel der Täter. So richteten laut Landeskriminalamt alleine die Betrugsmaschen „Enkeltrick“ und „falscher Polizist“ zwischen 2017 und 2019 einen Schaden von mehr als 39 Millionen Euro zum Nachteil von Seniorinnen und Senioren in Nordrhein-Westfalen an.
Auch entwickelt sich in diesem Zusammenhang der Missbrauch von Vorsorgevollmachten zu einem Problem. Hiermit beschäftigt sich inzwischen auch die Politik.