Ist es möglich, wegen Unpünktlichkeit gekündigt zu werden?
Inwie­fern ist es möglich, wegen Unpünkt­lich­keit gekün­digt zu werden? Bild: © Roman Stetsyk | Dreamstime.com

Es ist 5:45 Uhr, die Nacht­schicht freut sich nach Hause zu kommen. Doch bei der Übergabe fehlt noch ein Mitar­bei­ter der Frühschicht, auch er soll über alles infor­miert werden. Doch Heiko W. (Name von der Redak­tion geändert) kommt 15 Minuten zu spät – nicht zum ersten Mal. Zuvor hatte er schon versäumt, eine Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung (AU) einzu­rei­chen und war dafür bereits abgemahnt worden. Jetzt bekommt er eine zweite Abmah­nung und einige Monate danach eine dritte, beide wegen Unpünkt­lich­keit. Weitere fünf Monate später kommt er wieder mehrmals zu spät, aller­dings ohne dass er hierfür abgemahnt wird. Im April 2002 fehlt er mehrere Tage krank­heits­be­dingt und reicht die erste AU am selben Tag ein, die Folge­krank­schrei­bung jedoch erst nach der zuvor angemahn­ten Ein-Tages-Frist. Jetzt reicht es dem Arbeit­ge­ber, er spricht – nach Konsul­ta­tion des Betriebs­ra­tes – die Kündi­gung aus. Doch handelt er dabei auch recht­mä­ßig?

Vor dem Arbeits­ge­richt (Saarbrü­cken) argumen­tiert Heiko W., in der dritten Abmah­nung sei nicht auf eine drohende Kündi­gung verwie­sen worden. Er bekommt zunächst Recht, später dann auch vom Landes­ar­beits­ge­richt (Saarland). Erst in der dritten Instanz endet seine Erfolgs­strähne, das Bundes­ar­beits­ge­richt schließt sich der Auffas­sung seines Arbeit­ge­bers an (BAG 16.9.2004, Az.: 2 AZR 406/03).

Neben der unstrit­ti­gen Störung des Betriebs­ab­laufs wegen Erschwe­rung der Übergabe, sahen die Richter durch die Häufung der Verspä­tun­gen einen schwer­wie­gen­den Pflicht­ver­stoß des Arbeit­neh­mers. Dass in der dritten Abmah­nung, im Gegen­satz zu den ersten beiden keine Kündi­gung angedroht wurde, dürfe die Warnfunk­tion der nicht unübli­chen dritten Abmah­nung nicht entwer­ten. Ansons­ten würden ruhige, zur Nachsicht neigende Arbeit­ge­ber benach­tei­ligt. Zudem sei es nicht wünschens­wert, einen Präze­denz­fall zu schaf­fen, der vom Arbeit­ge­ber de facto verlan­gen würde, nach einer Kündi­gungs­dro­hung diese schon beim ersten Wieder­ho­lungs­fall umzuset­zen. Eine Abmah­nung muss also grund­sätz­lich eine Rüge- und eine Warnfunk­tion beinhal­ten, eine Drohung mit der Kündi­gung muss hierbei jedoch nicht ausdrück­lich formu­liert sein.

Kein Happy End also für Heiko W. und der Spruch „Aller guten Dinge sind drei“ galt für ihn daher nicht. Im Gegen­teil!

Andere Urteile zu Kündi­gun­gen wegen Unpünkt­lich­keit

- Einma­lige Unpünkt­lich­keit darf nicht formell abgemahnt werden (Arbeits­ge­richt Leipzig, Urteil vom 23.7.2015 – Az.: 8 Ca 532/15)

- Wieder­holte Unpünkt­lich­keit recht­fer­tigt keine frist­lose Kündi­gung (Arbeits­ge­richt Ludwigs­ha­fen, Urteil vom 6.7.2010 – Az.: 2 Ca 420/10)

- Mehrma­lige „letzte Abmah­nun­gen“ können als leere Drohun­gen gelten (LAG Rhein­land-Pfalz, Urteil vom 23.4.2009, Az.: 10 Sa 52/09)

Tipps für Arbeit­neh­mer

Ergrei­fen Sie alle zumut­ba­ren Maßnah­men, um Unpünkt­lich­keit zu vermei­den und planen Sie Puffer­zei­ten für den Weg zur Arbeit mit ein. Infor­mie­ren Sie sich über zu erwar­tende Verkehrs- und Wetter­ver­hält­nisse sowie mögli­che Streiks. Sobald Sie erken­nen, dass eine Verspä­tung oder Arbeits­un­fä­hig­keit droht, melden Sie diese ohne Verzug ihrem Arbeit­ge­ber. So ermög­li­chen sie ihm unter Umstän­den, die anfal­len­den Aufga­ben umzuver­tei­len und sorgen für eine stress­freiere Kommu­ni­ka­tion. Indem Sie Verspä­tun­gen unmit­tel­bar mittei­len, können Sie gegebe­nen­falls eine Abmah­nung verhin­dern!