Experten des MDI
V.l.: Prof. Dr. Joachim Disse­mond, Dr. Anya Miller, Kerstin Protz und Prof. Dr. Markus Stücker. Nicht im Bild: Prof. Dr. Knut Kröger Bild: MDI

Die Kompres­si­ons­the­ra­pie ist eine Säule der Behand­lung von Menschen mit venösen und lympha­ti­schen Erkran­kun­gen. Grund­lage der erfolg­rei­chen Anwen­dung dieser Versor­gungs­form ist das Verständ­nis zugrun­de­lie­gen­der Prinzi­pien, die Kennt­nis aktuel­ler Materia­lien und Metho­den sowie die Sicher­heit im Umgang damit.

Das Ödem ist Kennzei­chen vieler Krank­heits­bil­der

Der Krefel­der Angio­loge Profes­sor Dr. Knut Kröger lenkte in seinem Vortrag das Augen­merk auf das Ödem, als gemein­same Endstre­cke vieler Krank­heits­bil­der. „Es ist nicht immer möglich, bei jedem Patien­ten die genaue Ursache des Ödems zu finden“, so der Ressort­lei­ter der Exper­ten­gruppe Kompres­si­ons­the­ra­pie des MDI. Ödembil­dung ist eine natür­li­che Reaktion des Körpers auf bestimmte Reize. Während solche Schwel­lun­gen bei Gesun­den rasch wieder abklin­gen, dauern sie bei kranken Menschen an, beispiel­weise infolge einer chronisch venösen Insuf­fi­zi­enz (CVI). Patho­phy­sio­lo­gisch führt das Ödem zu Verän­de­run­gen der Mikro­strom­bahn. So besteht ein direk­ter Zusam­men­hang zwischen der Größe einzel­ner Kapil­la­ren und der Ausprä­gung der CVI, erläu­terte Kröger. Eine Kompres­si­ons­the­ra­pie verhin­dert diese Störun­gen.

Die „Kompres­si­ons­lo­gik“

Derzeit werde in Deutsch­land nicht jeder Patient mit entspre­chen­dem Bedarf auch mit Kompres­si­ons­the­ra­pie versorgt, mahnte Kröger an. Es gelte seiner Ansicht nach eine flächen­de­ckende patien­ten­ge­rechte Versor­gung anzustre­ben. Hierfür ist ein Verständ­nis für die Wirkweise und die Kennt­nis Materia­lien der Kompres­si­ons­the­ra­pie auf Seiten der Patien­ten und Versor­ger, sowie die Bereit­schaft der Verord­ner, dem Patien­ten indivi­du­elle Lösun­gen zugäng­lich zu machen, notwen­dig. Im Vorder­grund sollte dabei die Auswahl des geeig­ne­ten Materi­als stehen und nicht nur die Fixie­rung auf die Kompres­si­ons­klas­sen. Anhand einer anschau­li­chen Grafik verdeut­lichte Kröger den Zusam­men­hang zwischen den Patien­ten­merk­ma­len sowie den Charak­te­ris­tika der indivi­du­ell anzuwen­den­den Kompres­si­ons­strümpfe. So kommen entspre­chend dieser neuen „Kompres­si­ons­lo­gik“ bei Menschen mit gerin­ge­ren Beinum­fän­gen und solchen, die eine geringe Ödemnei­gung haben, Kompres­si­ons­strümpfe aus leich­tem und relativ dehnba­rem Material zum Einsatz. Hat der Patient Beine mit großem Umfang oder eine starke Ödemnei­gung, wird dieser mit Kompres­si­ons­strümp­fen aus kräfti­gem, weniger dehnba­rem Material versorgt. Das Ziel dieses diffe­ren­zier­ten Vorge­hens ist es, die indivi­du­el­len Fakto­ren der Patien­ten besser zu berück­sich­ti­gen und somit die Patien­ten­zu­frie­den­heit und ‑adhärenz zu verbes­sern so Kröger.

Selbst­ma­nage­ment in der Kompres­si­ons­the­ra­pie

Ein Verständ­nis für die Materia­lien und die Sicher­heit in deren Anwen­dung erschließe unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen dem Patien­ten Möglich­kei­ten des Selbst­ma­nage­ments in der Kompres­si­ons­the­ra­pie, ergänzte Profes­sor Dr. Joachim Disse­mond. Der Essener Derma­to­loge ist, wie Kröger, Ressort­lei­ter der Exper­ten­gruppe Kompres­si­ons­the­ra­pie des MDI und infor­mierte in seinem anschlie­ßen­den Vortrag über Aspekte des Selbst­ma­nage­ments. In diver­sen medizi­ni­schen Themen­fel­dern sind Patien­ten bereits heute aktiv mitein­be­zo­gen und zum Teil auch mit diagnos­ti­schen Aufga­ben wie beispiels­weise der Blutzu­cker­mes­sung betraut, so Disse­mond. Zu den Vortei­len des Selbst­ma­nage­ments zählen zeitli­che Flexi­bi­li­tät, Kosten­min­de­rung und positive Auswir­kun­gen auf die psychi­sche Situa­tion des Patien­ten. Als Hinder­nisse gelten beispiels­weise körper­li­che und intel­lek­tu­elle Einschrän­kun­gen sowie fehlende Eduka­tion der Betrof­fe­nen. In der Kompres­si­ons­the­ra­pie erleich­tern moderne Materia­lien dem Patien­ten eine Eigen­stän­dig­keit hinsicht­lich thera­peu­ti­scher Maßnah­men. So sind beispiels­weise sogenannte adaptive Kompres­si­ons­ban­da­gen erhält­lich, die aufgrund ihrer einfa­chen Handha­bung zum Teil vom Patien­ten selbst oder durch seine Angehö­rige anzule­gen sind. Der thera­pie­re­le­vante Kompres­si­ons­druck ist bei diesen Kompres­si­ons­ban­da­gen mit einer Schablone überprüf­bar und nach Bedarf nach zu regulie­ren.

Diagnos­tik und Thera­pie des Lymph­ödems

Bei der Behand­lung des Lymph­ödems kommen Kompres­si­ons­ma­te­ria­lien in Ergän­zung der regel­mä­ßi­gen Entstau­ungs­the­ra­pie zum Einsatz. Schät­zun­gen zufolge ist etwa 2 % der deutschen Bevöl­ke­rung von Lymph­pro­ble­men betrof­fen. Diese sind zum großen Teil genetisch bedingt aber nicht durch Verer­bung erwor­ben, sondern gehen überwie­gend auf Spontan­mu­ta­tion zurück. Ein erhöh­tes Risiko besteht bei überdurch­schnitt­li­chem Körper­ge­wicht, so berich­tete Dr. Anya Miller. Die Berli­ner Derma­to­lo­gin und Präsi­den­tin der Deutschen Gesell­schaft für Lympho­lo­gie (DGL) erläu­terte in einem praxis­na­hen Vortrag die Grund­la­gen der Thera­pie und Aspekte der Versor­gung von Menschen mit lympha­ti­schen Erkran­kun­gen. Die Basis­dia­gnos­tik im Rahmen einer ausführ­li­chen Anamnese erfolgt hierbei durch Fragen, Hinschauen und Anfas­sen. Weitere Maßnah­men, wie das Einsprit­zen von Farbstof­fen unter die Haut oder eine Sonogra­phie, ergän­zen die Diagnos­tik nach Bedarf. Die erfolg­rei­che Thera­pie lympha­ti­scher Erkran­kun­gen ruht neben der Entstau­ung und der Kompres­si­ons­the­ra­pie zudem auf einer angepass­ten Hautpflege. Die vierte Säule der Thera­pie sei die Bewegung, so Miller. „Der Weg zum Thera­peu­ten ist bereits Teil der Thera­pie“, betonte die Ärztin.

Aspekte der Varizen­be­hand­lung

Der Präsi­dent der Deutschen Gesell­schaft für Phlebo­lo­gie (DGP), Profes­sor Dr. Markus Stücker, erläu­terte die unter­schied­li­chen Formen der nachhal­ti­gen Behand­lung von Varizen der Beine, die sogenannte Sklero­sie­rung. Hierbei gelte es, so der Bochu­mer Derma­to­loge, die Bedürf­nisse des Patien­ten im Blick zu haben. Wenn der Betrof­fene beispiels­weise keine Opera­tion wünscht, ist es oft möglich, einen schnel­len Erfolg durch eine ambulant durch­führ­bare Schaumskle­ro­sie­rung der Varizen zu erzie­len. Es wurde aller­dings nachge­wie­sen, dass teilweise bereits ein Jahr nach solchen Eingrif­fen erneut Varizen auftre­ten, erklärte Stücker. Seiner Darle­gung zufolge ist ein chirur­gi­scher Eingriff oder das Veröden der betrof­fe­nen Gefäße durch Laser- oder Radio­fre­quenz­ka­the­ter effizi­en­ter und beuge dem Wieder­auf­tre­ten, dem sogenann­ten Rezidiv, nachhal­ti­ger vor. Beide Metho­den sind hinsicht­lich ihrer kosme­ti­schen Konse­quen­zen vergleich­bar, ergänzte Stücker. Bei Patien­ten, die physisch nicht für einen opera­ti­ven Eingriff geeig­net sind, wäre aller­dings eine Schaumskle­ro­sie­rung zu erwägen, so Stücker.

Aktuel­ler Versor­gungs­stand

Kerstin Protz stellte eine aktuelle Studie zur Patien­ten­ver­sor­gung vor. Die Hambur­ger Fachau­to­rin ist Projekt­ma­na­ge­rin Wundfor­schung am Insti­tut für Versor­gungs­for­schung im Univer­si­täts­kli­ni­kum Hamburg-Eppen­dorf. In einer deutsch­land­weit angeleg­ten Erhebung unter­suchte sie den Versor­gungs- und Infor­ma­ti­ons­stand von Patien­ten mit Kompres­si­ons­ver­sor­gung. „Bei der Erfas­sung der Patien­ten zeigte sich, dass ein Drittel der Betrof­fe­nen mit einem bereits bestehen­dem venösem Unter­schen­kel­ge­schwür, die somit eine Kompres­si­ons­the­ra­pie benöti­gen, über keiner­lei Versor­gung verfüg­ten“, so Protz. Aber auch wenn der Befragte eine Versor­gung hatte, war diese oft nicht adäquat. So wurden Kompres­si­ons­bin­den, die zur Entstau­ung der Beinödeme dienen, über Monate und teilweise Jahre getra­gen. Bei sach- und fachge­rech­ter Anlage sollte eine solche Entstau­ung eigent­lich nach drei bis vier Wochen abgeschlos­sen sein. Aber auch die Überprü­fung des Wissens­stands der Patien­ten zeigte Defizite. So reinig­ten viele Betrof­fene ihre Kompres­si­ons­ma­te­ria­lien mit ungeeig­ne­ten Wasch­sub­stan­zen, die das Material schädi­gen können und somit die Lebens­dauer der Binden und medizi­ni­schen Kompres­si­ons­strümpfe mindern. Auch die thera­pie­un­ter­stüt­zende Wirkung von Bewegung war vielen Betrof­fe­nen nicht bewusst. „Kompres­si­ons­the­ra­pie wirkt erst bei Aktivie­rung der Muskel­pum­pen des Sprung­ge­lenks und der Wade“, erklärte Protz. Die Schulung und Aufklä­rung der Patien­ten trägt also zum Erfolg der Thera­pie bei und sollte grund­sätz­lich Bestand­teil der Kompres­si­ons­ver­sor­gung sein.

Mit über 4.800 Besuchern ist der Deutsche Wundkon­gress eine der größten und bedeu­tends­ten Fachta­gun­gen weltweit in diesem wichti­gen Themen­feld. Die Exper­ten des MDI haben in mehre­ren Vorträ­gen und Workshops dazu beigetra­gen, einen Fokus auf die Versor­gung von Menschen mit venösen und lympha­ti­schen Erkran­kun­gen zu legen. Dabei wurde deutlich, dass es sich lohnt ein Augen­merk auf aktuelle Entwick­lun­gen und moderne Behand­lungs­op­tio­nen beispiels­weise der Kompres­si­ons­the­ra­pie zu legen, die im Rahmen einer indivi­du­el­len Thera­pie die Situa­tion dieser Patien­ten verbes­sern können.

Quelle: Jan Hinnerk Timm/MDI