In Niedersachsen ist ein 50-jähriger Mann an den Folgen eines groben Behandlungsfehlers gestorben. Der Mann war wegen akuter Rückenschmerzen bei seinem Hausarzt in Behandlung. Dieser wurde nun zu einem Schmerzensgeld von 500.000 Euro verurteilt, wie das Oberlandesgericht Celle in einer Pressemitteilung bekanntgab. Die Klage wurde von der verwitweten Frau des Mannes erhoben. Die beiden hatten drei minderjährige Kinder.
Wie kam es zum Tod?
Die Rückenschmerzen resultierten aus mehreren vorherigen Bandscheibenschäden. Zur Schmerzlinderung bekam der Mann von seinem Hausarzt an vier Tagen in einer Woche je zwei Injektionen in die Gesäßmuskulatur gespritzt. Bei den Präparaten handelte es sich um Solu-Decortin und Diclofenac.
Kurz nach der vierten Spritze brach der Mann bei sich zuhause zusammen. Er wurde mit Schmerzen, Schüttelfrost und Atemnot ins Krankenhaus eingeliefert. Dort wurde er sofort intensivmedizinisch behandelt. Grund für den Kollaps war ein schwerer septischer Schock.
Eine Sepsis kann zum Beispiel durch unzureichende Desinfektion im Vorfeld einer Injektion hervorgerufen werden. Dadurch können Krankheitserreger in den Körper eindringen. Diese wiederum können starke Entzündungen auslösen.
Auch im Falle des 50-jährigen Mannes war der Auslöser ein sogenannter Spritzenabszess, wie sich später herausstellte. Die Keime gelangten in die Blutbahn und lösten eine Sepsis aus, die man auch als Blutvergiftung kennt. Der septische Schock hatte bei dem Mann ein multiples Organversagen und schließlich eine weitgehende Körperlähmung zur Folge. Der Patient wurde daraufhin künstlich beatmet, ohne Aussicht auf Besserung. Das septische Infektionsgeschehen war für die Ärzte nicht eindämmbar.
Am Ende des einjährigen Leidens bekam der Mann auf seinen Wunsch den ärztlich begeleiteten Freitod.
Gabe der Injektionspräparate nicht vorschriftsgemäß
Das Landgericht Lüneburg (Az.: 2 O 157/16) ordnete die ärztliche Behandlung als grob fehlerhaft ein. Eine intramuskuläre Injektion der beiden Präparate Solu-Decortin und Diclofenac widerspreche sowohl den fachlich anerkannten medizinischen Standards, als auch den gängigen Leitempfehlungen.
Das LG Lüneburg sprach demnach das Urteil aus, nach welchem der Arzt zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 500.000 Euro verpflichtet ist.
Erfolglose Berufung
Die eingelegte Berufung des Arztes blieb ohne Erfolg und wurde vom 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch Beschluss vom 10. August 2018 zurückgewiesen (Az.: 1 U 71/17).
Am 5. Juni 2018 hat der Senat in einem vorrausgegangenen Beschluss aufgeführt, dass die Entscheidung des LG Lüneburg rechtskräftig sei. Die Behandlung als grob fehlerhaft zu werten, sei richtig gewesen.
Ebenso steht die Einwilligung des Patienten zur Injektion nicht dem Urteil entgegen. Eine kontraindizierte Behandlung sei nicht mit dem Einverständnis des Betroffenen zu rechtfertigen. Auch die nicht vorhersehbare Entwicklung des Gesundheitszustandes des Mannes nimmt den Arzt nicht in Schutz.
OLG Celle: Höhe des Schmerzensgeldes gerechtfertigt
Im Übrigen sei auch die Höhe des Schmerzensgeldes gerechtfertigt. Dies begründet das OLG damit, dass der Patient seinen einjährigen Leidensweg aufgrund seines vollen Bewusstseins direkt miterleben musste. Der Patient habe den Freitod gewählt, um dieses Leiden schließlich zu beenden. Die Dauer des Leidens spielt in diesem Fall keine Rolle.
Die vom Hausarzt eingereichte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wurde vom Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 12.3.2019 abgelehnt (Az.: VI ZR 355/18). Das Urteil ist damit rechtskräftig.
In Deutschland erkranken circa 300.000 Menschen pro Jahr an ein einer Sepsis. Typische Symptome sind extremes Unwohlsein, schwere Atmung, Verwirrtheit, hohes Fieber und eine verfärbte Haut, zum Beispiel schwarzverfärbte Fingerkuppen. Auch Schüttelfrost und Schläfrigkeit können ein Hinweis auf eine Sepsis sein. Sollten die obigen Symptome bei Ihnen oder in Ihrem Umfeld auftreten, wählen Sie umgehend die 112.