Ein fünfjähriger Junge leidet an einer Entwicklungsstörung der Grobmotorik und einer sensorischen Wahrnehmungsstörung – zudem ist er übergewichtig. Sein Arzt verschreibt ihm deshalb Rehabilitationssport durch Bewegungsspiele. Die Spiele sollen seine motorischen Fähigkeiten sowie Wahrnehmung verbessern und sein Gewicht reduzieren.
Junge stürzt von Trampolin
Im Rahmen einer Übungseinheit verletzte sich der Junge, als er bei der Benutzung eines Trampolins mit Haltestangen stürzte und sich dabei zwei Zähne ausschlug. Die Aufsichtsperson hatte ihm währenddessen den Rücken zugewandt und konnte nicht in das Geschehen eingreifen. Sie habe so ihre Verkehrssicherungs- und Aufsichtspflicht in erheblicher Weise verletzt.
Zudem sei das benutzte Trampolin nicht für Kinder unter sechs Jahren geeignet gewesen. Aufgrund der bekannten Entwicklungsstörung der Motorik hätte die Aufsichtsperson den Jungen das Trampolin nicht benutzen lassen dürfen. Vor Gericht fordert der Junge deshalb Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro und die Übernahmen künftiger immaterieller Schäden.
Das Gericht hat die Klage gegen den Verein für Prävention und Rehabilitation abgewiesen. Der Junge habe weder einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aus § 831 BGB noch aus § 280 Absatz 1 BGB in Verbindung mit dem Mitgliedervertrag. Auch Schadensersatzansprüche sind nicht gegeben.
Klage abgewiesen
Nach Ansicht des Gerichts war die Kontrolle der Aufsichtsperson ausreichend. Sie war nicht verpflichtet, in dieser Situation mäßigend auf den Jungen einzuwirken. Welche Pflichten Aufsichtspersonen haben, hängt immer von der konkreten Situation ab und kann nicht allgemeingültig festgeschrieben werden. Die Aufsicht ist in soweit erforderlich, wie die Gefahr vorhersehbar ist.
Die Beweisaufnahme zeigte zwar, dass die Aufsichtsperson dem Jungen nicht in die Benutzung des Trampolins eingewiesen habe. Allerdings konnte festgestellt werden, dass der Junge sehr wohl über die nötigen Fähigkeiten zum Trampolinspringen verfügte und es somit keiner weiteren Anweisung bedurfte.
Junge war ausreichend befähigt
Im Gegenteil: Der Haltegriff am Trampolin hätte dem Jungen zusätzliche Sicherheit gegeben, so ein Sachverständiger. Auch die Koordinationsprüfung durch die kinderärztliche Untersuchung lege nahe, dass das Trampolin für die Nutzung des Jungen geeignet gewesen ist. Die Prüfung hatte Folgendes ergeben:
„Monopedales Stehen beidseits nur ganz kurz möglich. Bipedales Hüpfen okay, monopedales Hüpfen vor: beidseits einige kurze plumpe Hüpfbewegungen möglich, rückwärts höchstens eine Hüpfbewegung möglich. Seiltänzergang vorwärts sehr instabil, rückwärts und blind nicht möglich. Zehen- und Hackengang ok. Finger-Daumen-Opposition und Diadochokinese ok, Ballfangen gut, Ballwerfen zu kurz, Ballschießen unauffällig.“
An der Tatsache, dass der Junge für den Gebrauch des Trampolins geeignet war, ändert auch nichts, dass der Hersteller für die private Nutzung ein Mindestalter von 14 Jahren angegeben hatte.
Keine Pflichtverletzung
Die Aufsicht war insoweit ausreichend, dass nicht erwiesen werden konnte, dass die Aufsichtsperson vor dem Unfall ausreichend Gelegenheit und Zeit hatte, um den Jungen in seiner Lebhaftigkeit zu begrenzen. Der Ablauf stellte sich als derart schnell dar, sodass die Aufsichtsperson keine Zeit hatte, um den Unfall zu verhindern.
Zwar hatte die Aufsichtsperson dem Jungen den Rücken zugewendet, als dieser das Trampolin betrat. Trotzdem stand sie nach Auffassung des Gerichts zum entscheidenden Zeitpunkt an der richtigen Stelle. Somit ist es nicht entscheidend, dass sie davor ihrer Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachkam.
Quelle: LG Lübeck vom 25.4.2022 – 10 O 238/20