Zwangsbehandlung gegen den natürlichen Patientenwillen
Zwangs­be­hand­lung und natür­li­cher Wille Bild: © motor­tion | Dreamstime.com

Die Debatte über die recht­li­che Handhabe in solchen Situa­tio­nen ist komplex und sensi­bel, da sie zum einen das Recht auf Selbst­be­stim­mung und zum anderen den Gesund­heits­schutz von Menschen mit psychi­schen Erkran­kun­gen oder geisti­gen Beein­träch­ti­gun­gen betrifft.

Gemäß § 1832 BGB (ehemals § 1906a BGB) kann der Betreuer gegen den geäußer­ten natür­li­chen Willen des Betreu­ten nur dann einwil­li­gen, wenn die in § 1832 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 aufge­führ­ten Voraus­set­zun­gen kumula­tiv vorlie­gen und die Einwil­li­gung des Betreu­ers vom Betreu­ungs­ge­richt geneh­migt worden ist (siehe § 1832 Absatz 2 BGB).

#1: Einwil­li­gungs­fä­hig­keit und ärztli­che Feststel­lung

Die Grund­vor­aus­set­zung für eine Zwangs­be­hand­lung ist, dass der betreute Patient als nicht einwil­li­gungs­fä­hig einge­stuft wurde. Einwil­li­gungs­fä­hig­keit liegt dann vor, wenn der Patient in der Lage ist, die Schwer und die Tragweite der Behand­lungs­maß­nahme zu verste­hen und die Konse­quen­zen hieraus abschät­zen zu können. Vor einer Zwangs­be­hand­lung ist eine sorgfäl­tige ärztli­che Feststel­lung der nicht vorlie­gen­den Einwil­li­gungs­fä­hig­keit erfor­der­lich.

#2: Notwen­dig­keit der Zwangs­be­hand­lung

Die Zwangs­maß­nahme muss notwen­dig sein, um einen erheb­li­chen drohen­den Gesund­heits­scha­den vom Betreu­ten abzuwen­den. Ferner muss die Zwangs­maß­nahme dem nach § 1827 BGB zu beach­ten­den Willen des Betreu­ten entspre­chen und es muss zunächst versucht werden den Betreu­ten von der Notwen­dig­keit der Maßnahme zu überzeu­gen.

#3: Verhält­nis­mä­ßig­keit und mildes­tes Mittel

Die Zwangs­be­hand­lung muss das mildeste Mittel sein, um die erheb­li­che Gesund­heits­ge­fahr für den Patien­ten abzuwen­den. Das neue Betreu­ungs­recht betont die Verhält­nis­mä­ßig­keit und erfor­dert, dass alle anderen Möglich­kei­ten zur Behand­lung, die eine Einwil­li­gung des Patien­ten erlau­ben, zuvor ausge­schöpft werden müssen.

Darüber hinaus muss der zu erwar­tende Nutzen der Maßnahme die zu erwar­ten­den Beein­träch­ti­gun­gen wesent­lich überwie­gen.

#4: Aufklä­rung des Patien­ten­ver­tre­ters:

Bei einem betreu­ten Patien­ten wird die Entschei­dung über eine Zwangs­be­hand­lung nicht vom Patien­ten selbst getrof­fen, sondern von einem gericht­lich bestell­ten Patien­ten­ver­tre­ter, einem Betreuer oder Vorsor­ge­be­voll­mäch­tig­ten. Dieser muss umfas­send über die geplante Maßnahme infor­miert werden und seine Zustim­mung ertei­len.

#5: Zwangs­be­hand­lung im Rahmen eines statio­nä­ren Aufent­hal­tes

Die ärztli­che Zwangs­maß­nahme muss im Rahmen eines statio­nä­ren Aufent­halts in einem Kranken­haus, in welchem die gebotene medizi­ni­sche Versor­gung des Betreu­ten einschließ­lich einer erfor­der­li­chen Nachbe­hand­lung sicher­ge­stellt ist, vorge­nom­men werden.

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Alle Schritte und Entschei­dun­gen im Zusam­men­hang mit einer Zwangs­be­hand­lung müssen gründ­lich dokumen­tiert werden. Die Zwangs­maß­nahme muss zudem in regel­mä­ßi­gen Abstän­den auf ihre Notwen­dig­keit und Verhält­nis­mä­ßig­keit überprüft werden.

Die Einfüh­rung der neuen Voraus­set­zun­gen hinsicht­lich der Zwangs­be­hand­lung bei betreu­ten Patien­ten im neuen Betreu­ungs­recht ab dem 1. Januar 2023 soll einer­seits den Schutz der Selbst­be­stim­mung und der Würde der betrof­fe­nen Perso­nen gewähr­leis­ten und anderer­seits eine angemes­sene medizi­ni­sche Versor­gung sicher­stel­len, wenn die betrof­fene Person nicht in der Lage ist, selbst über ihre Behand­lung zu entschei­den.

Die Balance zwischen diesen Zielen stellt in der Praxis eine Heraus­for­de­rung dar und erfor­dert ein verant­wor­tungs­vol­les und gewis­sen­haf­tes Handeln aller Betei­lig­ten – der Betreu­ungs­ge­richte, Ärzte und Patien­ten­ver­tre­ter – um die Rechte und das Wohlerge­hen der betreu­ten Patien­ten zu schüt­zen und zu wahren.