Die Krankenhausreform der Ampelkoalition ist auf den Weg gebracht. Sie soll die medizinische Versorgung im Land verbessern. Damit dürften große Veränderungen auf die Kliniken zukommen – wenn die Länder nicht noch dazwischen grätschen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von der größten Gesundheitsreform seit 20 Jahren. Kritik kommt dabei vor allem aus den Ländern.
Das System der Fallpauschalen hat die Krankenhäuser in der Vergangenheit starken ökonomischen Zwängen ausgesetzt. Viele Krankenhäuser sind höchstwahrscheinlich von der Schließung bedroht, wenn sich nichts ändert.
Stattdessen erhalten notwendige Kliniken durch die Krankenhausreform bald Vorhaltepauschalen.
Das heißt sie bekommen eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten. Somit soll die Qualität und nicht mehr die Quantität die Versorgung bestimmen.
#1: Was ändert sich für Patientinnen und Patienten?
Kernstück der Krankenhausreform ist eine stärkere medizinische Spezialisierung. Vor allem kleinere Krankenhäuser sollen künftig weniger Leistungen anbieten und sich auf Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen.
Auf Patientinnen und Patienten könnten also längere Wege bis zum nächsten zuständigen Krankenhaus zukommen. Sie sollen dafür aber eine bessere Behandlung erwarten dürfen.
Die einzelnen Behandlungsarten werden durch das Gesetz in 65 Leistungsgruppen eingeteilt – wie etwa Herzchirurgie, Leukämie oder Darmtransplantation.
Welches Krankenhaus künftig welche Leistungsgruppen anbieten darf, entscheiden die Behörden der Länder. Die Kliniken müssen dafür ein bestimmtes Qualitätsniveau sowie ausreichend Personal nachweisen können.
Nur wenn sie diese Kriterien erfüllen, sollen sie für die Behandlung bezahlt werden können.
#2: Wie läuft die Finanzierung?
Die schlechte Finanzlage der Kliniken hatte den Anstoß zu der Reform gegeben. Etwa 30 Prozent der Kliniken schreiben rote Zahlen. Die Reform soll eine „Ent-Ökonomisierung“ des Krankenhauswesens bringen, sagt der Bundesgesundheitsminister.
Die wichtigste Änderung: Die bisherige Vergütung über Fallpauschalen soll eingeschränkt werden, weil sie erhebliche Fehlanreize setzt. Sie kann dazu führen, dass Kliniken Behandlungen ausführen, die medizinisch gar nicht erforderlich sind, um diese dann finanziell abzurechnen.
Die Lösung: Künftig sollen die Kliniken vor allem dafür bezahlt werden, dass sie bestimmte Leistungen anbieten.
Dafür erhalten sie eine „Vorhaltepauschale“, die 60 Prozent ihrer Kosten decken soll. Die übrigen 40 Prozent sollen wie bislang über die Fallpauschale kommen.
Unabhängig von der „Vorhaltepauschale“ sollen die Kliniken für wichtige Kernbereiche zusätzliche Mittel bekommen:
- für Pädiatrie
- Geburtshilfe
- Schlaganfallbehandlung
- Traumatologie und
- Intensivmedizin.
#3: Müssen Kliniken schließen?
Ganz sicher – das wird wohl passieren. Für die aktuell rund 1.700 Krankenhäuser gebe es bereits jetzt nicht genug Personal, viele Kliniken schreiben rote Zahlen und sind von Insolvenz bedroht, erklärt Gesundheitsminister Lauterbach.
Mit seiner Krankenhausreform will er das erwartete Kliniksterben begrenzen.
Eine Reihe von Regelungen soll vor allem kleinen Kliniken in ländlichen Regionen helfen: Fachärzte sollen ihre Leistungen im Rahmen dieser Krankenhausreform künftig auch ambulant für Patientinnen und Patienten anbieten dürfen.
Der mancherorts weite Weg in eine Fachpraxis würde dadurch entfallen.
Zudem dürfen sogenannte Sicherstellungshäuser in ländlichen Regionen, die für die Grundversorgung unverzichtbar sind, geringfügig von den strengen Qualitätsvorgaben der Leistungsgruppen abweichen.
#4: Warum ist die Krankenhausreform nötig?
Deutschland hat mit circa 1.700 Krankenhäusern die höchste Krankhaus- und Bettendichte in Europa. Bis auf Österreich gibt es kein Land in Europa, das pro Kopf mehr für Krankenhäuser ausgibt als Deutschland.
Allerdings ist etwa ein Drittel der Krankenhausbetten nicht belegt. Zugleich liegt die Anzahl der Krankenhausaufenthalte im internationalen Vergleich auf einem Spitzenniveau.
Viele Krankenhäuser in Deutschland befinden sich derzeit in einer angespannten wirtschaftlichen Lage. Dies beruht auf verschiedenen Faktoren, unter anderem auf einer zu niedrigen Investitionsförderung durch die Länder.
In der Folge führen manche Krankenhäuser auch solche Operationen durch, für die ihnen die Erfahrung fehlt oder die möglicherweise nicht notwendig sind. Und sie versorgen teilweise Patientinnen und Patienten, die auch ambulant hätten versorgt werden können.
Die durch leerstehende Krankenhausbetten entstehenden Einbußen sind häufig nur schwer auszugleichen. Insolvenzen drohen.
#5: Wie lauten die Argumente der Kritiker?
Die Bundesländer drohen mit einer Blockade im Bundesrat Ende November 2024 und der Anrufung des Vermittlungsausschusses.
Sie sind skeptisch, ob diese Krankenhausreform das befürchtete Kliniksterben im ländlichen Raum abwenden kann. Zudem fürchten sie hohe Kosten: Das Gesetz sieht vor, die Kliniken für die Phase der Reformumsetzung zehn Jahre lang mit einem sogenannten Transformationsfonds im Volumen von 50 Milliarden Euro abzusichern – die Hälfte der Gelder soll von den Ländern kommen.
Die andere Hälfte sollen die gesetzlichen Krankenkassen zahlen, die dagegen ebenfalls Sturm laufen. Lauterbach hat zugesagt, zur Finanzierung seiner Krankenhausreform nun auch die privaten Kassen hinzuzuziehen – in welchem Umfang und auf welchem gesetzlichen Weg, ist bis jetzt aber noch unklar.
Fazit
Durch das Konzept der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen („Level 1i-Krankenhäuser“) wird die ärztliche und pflegerische Vor-Ort-Versorgung in Deutschland um ein Element ergänzt. Diese Einrichtungen sichern eine wohnortnahe medizinische Grundversorgung durch eine Bündelung interdisziplinärer und interprofessioneller Leistungen.
Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen verbinden stationäre Leistungen der interdisziplinären Grundversorgung wohnortnah sowohl mit ambulanten als auch mit pflegerischen Leistungen.
Sie erhalten dabei mehr Optionen zur ambulanten Leistungserbringung. Damit werden sie zu einer wichtigen Brücke zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung. Hiervon können insbesondere Krankenhäuser profitieren, deren Fortbestand auf Grund des geringen stationären Versorgungsbedarfs in der Region nicht gesichert ist.
Die Vergütung der stationären Krankenhausleistungen dieser Einrichtungen erfolgt über degressive krankenhausindividuelle Tagesentgelte. Die ambulanten Leistungen dieser Einrichtungen werden mit den hierfür etablierten Entgelten vergütet.
Die Länder entscheiden im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Krankenhausplanung, welche Krankenhäuser als sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen bei dieser Krankenhausreform bestimmt werden.