Krankenhausreform
Die Unikli­nik in Köln Bild: Alexan­der Meyer-Köring

Die Kranken­haus­re­form der Ampel­ko­ali­tion ist auf den Weg gebracht. Sie soll die medizi­ni­sche Versor­gung im Land verbes­sern. Damit dürften große Verän­de­run­gen auf die Klini­ken zukom­men – wenn die Länder nicht noch dazwi­schen grätschen.

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) spricht von der größten Gesund­heits­re­form seit 20 Jahren. Kritik kommt dabei vor allem aus den Ländern.

Das System der Fallpau­scha­len hat die Kranken­häu­ser in der Vergan­gen­heit starken ökono­mi­schen Zwängen ausge­setzt. Viele Kranken­häu­ser sind höchst­wahr­schein­lich von der Schlie­ßung bedroht, wenn sich nichts ändert.

Statt­des­sen erhal­ten notwen­dige Klini­ken durch die Kranken­haus­re­form bald Vorhal­te­pau­scha­len.

Das heißt sie bekom­men eine Art Existenz­ga­ran­tie, selbst wenn sie vergleichs­weise wenige Behand­lun­gen anbie­ten. Somit soll die Quali­tät und nicht mehr die Quanti­tät die Versor­gung bestim­men.

#1: Was ändert sich für Patien­tin­nen und Patien­ten?

Kernstück der Kranken­haus­re­form ist eine stärkere medizi­ni­sche Spezia­li­sie­rung. Vor allem kleinere Kranken­häu­ser sollen künftig weniger Leistun­gen anbie­ten und sich auf Eingriffe beschrän­ken, die sie gut beherr­schen.

Auf Patien­tin­nen und Patien­ten könnten also längere Wege bis zum nächs­ten zustän­di­gen Kranken­haus zukom­men. Sie sollen dafür aber eine bessere Behand­lung erwar­ten dürfen.

Die einzel­nen Behand­lungs­ar­ten werden durch das Gesetz in 65 Leistungs­grup­pen einge­teilt – wie etwa Herzchir­ur­gie, Leukämie oder Darmtrans­plan­ta­tion.

Welches Kranken­haus künftig welche Leistungs­grup­pen anbie­ten darf, entschei­den die Behör­den der Länder. Die Klini­ken müssen dafür ein bestimm­tes Quali­täts­ni­veau sowie ausrei­chend Perso­nal nachwei­sen können.

Nur wenn sie diese Krite­rien erfül­len, sollen sie für die Behand­lung bezahlt werden können.

#2: Wie läuft die Finan­zie­rung?

Die schlechte Finanz­lage der Klini­ken hatte den Anstoß zu der Reform gegeben. Etwa 30 Prozent der Klini­ken schrei­ben rote Zahlen. Die Reform soll eine „Ent-Ökono­mi­sie­rung“ des Kranken­haus­we­sens bringen, sagt der Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter.

Die wichtigste Änderung: Die bishe­rige Vergü­tung über Fallpau­scha­len soll einge­schränkt werden, weil sie erheb­li­che Fehlan­reize setzt. Sie kann dazu führen, dass Klini­ken Behand­lun­gen ausfüh­ren, die medizi­nisch gar nicht erfor­der­lich sind, um diese dann finan­zi­ell abzurech­nen.

Die Lösung: Künftig sollen die Klini­ken vor allem dafür bezahlt werden, dass sie bestimmte Leistun­gen anbie­ten.

Dafür erhal­ten sie eine „Vorhal­te­pau­schale“, die 60 Prozent ihrer Kosten decken soll. Die übrigen 40 Prozent sollen wie bislang über die Fallpau­schale kommen.

Unabhän­gig von der „Vorhal­te­pau­schale“ sollen die Klini­ken für wichtige Kernbe­rei­che zusätz­li­che Mittel bekom­men:

  • für Pädia­trie
  • Geburts­hilfe
  • Schlag­an­fall­be­hand­lung
  • Trauma­to­lo­gie und
  • Inten­siv­me­di­zin.

#3: Müssen Klini­ken schlie­ßen?

Ganz sicher – das wird wohl passie­ren. Für die aktuell rund 1.700 Kranken­häu­ser gebe es bereits jetzt nicht genug Perso­nal, viele Klini­ken schrei­ben rote Zahlen und sind von Insol­venz bedroht, erklärt Gesund­heits­mi­nis­ter Lauter­bach.

Mit seiner Kranken­haus­re­form will er das erwar­tete Klinik­ster­ben begren­zen.

Eine Reihe von Regelun­gen soll vor allem kleinen Klini­ken in ländli­chen Regio­nen helfen: Fachärzte sollen ihre Leistun­gen im Rahmen dieser Kranken­haus­re­form künftig auch ambulant für Patien­tin­nen und Patien­ten anbie­ten dürfen.

Der mancher­orts weite Weg in eine Fachpra­xis würde dadurch entfal­len.

Zudem dürfen sogenannte Sicher­stel­lungs­häu­ser in ländli­chen Regio­nen, die für die Grund­ver­sor­gung unver­zicht­bar sind, gering­fü­gig von den stren­gen Quali­täts­vor­ga­ben der Leistungs­grup­pen abwei­chen.

#4: Warum ist die Kranken­haus­re­form nötig?

Deutsch­land hat mit circa 1.700 Kranken­häu­sern die höchste Krank­haus- und Betten­dichte in Europa. Bis auf Öster­reich gibt es kein Land in Europa, das pro Kopf mehr für Kranken­häu­ser ausgibt als Deutsch­land.

Aller­dings ist etwa ein Drittel der Kranken­haus­bet­ten nicht belegt. Zugleich liegt die Anzahl der Kranken­haus­auf­ent­halte im inter­na­tio­na­len Vergleich auf einem Spitzen­ni­veau.

Viele Kranken­häu­ser in Deutsch­land befin­den sich derzeit in einer angespann­ten wirtschaft­li­chen Lage. Dies beruht auf verschie­de­nen Fakto­ren, unter anderem auf einer zu niedri­gen Inves­ti­ti­ons­för­de­rung durch die Länder.

In der Folge führen manche Kranken­häu­ser auch solche Opera­tio­nen durch, für die ihnen die Erfah­rung fehlt oder die mögli­cher­weise nicht notwen­dig sind. Und sie versor­gen teilweise Patien­tin­nen und Patien­ten, die auch ambulant hätten versorgt werden können.

Die durch leerste­hende Kranken­haus­bet­ten entste­hen­den Einbu­ßen sind häufig nur schwer auszu­glei­chen. Insol­ven­zen drohen.

#5: Wie lauten die Argumente der Kriti­ker?

Die Bundes­län­der drohen mit einer Blockade im Bundes­rat Ende Novem­ber 2024 und der Anrufung des Vermitt­lungs­aus­schus­ses.

Sie sind skeptisch, ob diese Kranken­haus­re­form das befürch­tete Klinik­ster­ben im ländli­chen Raum abwen­den kann. Zudem fürch­ten sie hohe Kosten: Das Gesetz sieht vor, die Klini­ken für die Phase der Reform­um­set­zung zehn Jahre lang mit einem sogenann­ten Trans­for­ma­ti­ons­fonds im Volumen von 50 Milli­ar­den Euro abzusi­chern – die Hälfte der Gelder soll von den Ländern kommen.

Die andere Hälfte sollen die gesetz­li­chen Kranken­kas­sen zahlen, die dagegen ebenfalls Sturm laufen. Lauter­bach hat zugesagt, zur Finan­zie­rung seiner Kranken­haus­re­form nun auch die priva­ten Kassen hinzu­zu­zie­hen – in welchem Umfang und auf welchem gesetz­li­chen Weg, ist bis jetzt aber noch unklar.

Fazit

Durch das Konzept der sektoren­über­grei­fen­den Versor­gungs­ein­rich­tun­gen („Level 1i-Kranken­häu­ser“) wird die ärztli­che und pflege­ri­sche Vor-Ort-Versor­gung in Deutsch­land um ein Element ergänzt. Diese Einrich­tun­gen sichern eine wohnort­nahe medizi­ni­sche Grund­ver­sor­gung durch eine Bünde­lung inter­dis­zi­pli­nä­rer und inter­pro­fes­sio­nel­ler Leistun­gen.

Sektoren­über­grei­fende Versor­gungs­ein­rich­tun­gen verbin­den statio­näre Leistun­gen der inter­dis­zi­pli­nä­ren Grund­ver­sor­gung wohnort­nah sowohl mit ambulan­ten als auch mit pflege­ri­schen Leistun­gen.

Sie erhal­ten dabei mehr Optio­nen zur ambulan­ten Leistungs­er­brin­gung. Damit werden sie zu einer wichti­gen Brücke zwischen der ambulan­ten und der statio­nä­ren Versor­gung. Hiervon können insbe­son­dere Kranken­häu­ser profi­tie­ren, deren Fortbe­stand auf Grund des gerin­gen statio­nä­ren Versor­gungs­be­darfs in der Region nicht gesichert ist.

Die Vergü­tung der statio­nä­ren Kranken­haus­leis­tun­gen dieser Einrich­tun­gen erfolgt über degres­sive kranken­haus­in­di­vi­du­elle Tages­ent­gelte. Die ambulan­ten Leistun­gen dieser Einrich­tun­gen werden mit den hierfür etablier­ten Entgel­ten vergü­tet.

Die Länder entschei­den im Rahmen ihrer Zustän­dig­keit für die Kranken­haus­pla­nung, welche Kranken­häu­ser als sektor­über­grei­fende Versor­gungs­ein­rich­tun­gen bei dieser Kranken­haus­re­form bestimmt werden.