Die Krankenhausreform gilt als zentrales politisches Vorhaben von Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Das Bundeskabinett hat am 15. Mai die Krankenhausreform auf den Weg gebracht.
Das sogenannte Krankenhausversorgungs-Verbesserungsgesetz (KHVVG) soll die Klinik-Finanzierung grundlegend umgestalten und die Behandlungsqualität durch Neustrukturierungen insgesamt verbessern. Geplant ist, das Gesetz Anfang 2025 in Kraft treten zu lassen.
Die Gesetzesreform ist jedoch hochumstritten, Kritik gibt es an dieser Krankenhausreform von allen Seiten – aus den Bundesländern, von den Kliniken selbst, von den Krankenversicherungen sowie Patientenverbänden. Wir liefern 5 Fakten zur Krankenhausreform.
#1: Was regelt die Krankenhausreform?
Nicht alle Krankenhäuser sollen – sehr salopp gesagt – mehr alle medizinischen Leistungen anbieten dürfen: Stattdessen sollen für die Kliniken Versorgungsstufen (hier ein guter Überblick) definiert werden. Das System besteht aus drei Stufen mit insgesamt fünf Unterstufen. Die „niedrigste“ Stufe ist „Ii“, die „Grundversorgung mit integrierter ambulant/stationärer Versorgung“ – ein wohnortnahes Krankenhaus für die Breitenversorgung, abseits der medizinisch schwierigen Fälle.
In der Stufe „In“ kommt die Notfallversorgung hinzu, mit mindestens sechs Intensivbetten, fachärztlichen Rufdiensten und einer telemedizinischen Anbindung an größere Krankenhäuser.
Kliniken auf Stufe „II“ sind spezialisierter: Hier müssen mindestens jeweils drei internistische und chirurgische Leistungsgruppen abgedeckt sein, zudem mindestens zwei medizinische Spezialgebiete wie Neurologie, Kardiologie oder Orthopädie, Kinderchirurgie, Urologie oder Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Zudem ist eine Fachabteilung Gynäkologie / Geburtshilfe sowie eine Stroke Unit für Schlaganfall-Patienten vorzuhalten, ebenso wie mindestens 20 Intensivbetten.
Stufe „III“ definiert die Maximalversorgung, mit einem noch breiteren Leistungsspektrum und mehr medizinischen Teildisziplinen als in der zweiten Stufe und verpflichtend einem Hubschrauber-Landeplatz.
Mindestens 40 Intensivbetten muss die Einrichtung beherbergen. Die Spitze der Kliniklandschaft bilden die Häuser der Stufe „IIIU“, die Universitätskliniken, wo möglichst alle medizinischen Fächer repräsentiert sein sollen sowie Forschung und Weiterentwicklung stattfinden.
Für bedarfsnotwendige Krankenhäuser in ländlichen Räumen soll es unbefristete Ausnahmen geben. Die bereits bestehenden Zuschläge für diese Krankenhäuser sollen erhöht werden. Für Leistungen der allgemeinen Chirurgie und allgemeinen Inneren Medizin gilt eine Anfahrtszeit per Auto von 30 Minuten als zumutbar, für alle anderen Leistungsgruppen eine 40-minütige Anreise.
Um die Qualität der Versorgung zu verbessern, sollen Kriterien für 65 Leistungsgruppen (LG) definiert und sämtliche Leistungen der Krankenhäuser eindeutig einer der Leistungsgruppen zugewiesen werden. Um innerhalb einer Leistungsgruppe behandeln zu dürfen, müssen Kliniken bestimmte Qualitätsvorgaben einhalten.
Ein zentrales Instrument in der zukünftigen Finanzierung der Kliniken ist die Abkehr von den Fallpauschalen. Stattdessen soll es Vorhaltevergütungen geben – dafür, dass eine medizinische Leistung bereitsteht, auch wenn sie momentan nicht genutzt wird. Sie sollen 60 Prozent der zukünftigen Klinikvergütung ausmachen.
Ziel ist es, wirtschaftlichen Druck von den Kliniken zu nehmen, zu verhindern, dass etwa bei der Entscheidung für eine Operation wirtschaftliche Gründe (mit-)ausschlaggebend sind.
Für Stroke Units, Traumatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben, Unikliniken und die Notfallversorgung sollen zusätzliche Mittel gewährt werden.
Es soll mehr Transparenz für Patienten geben: Zukünftig soll einsehbar sein, welches Krankenhaus welche Leistungen mit welcher Qualität anbietet.
Auch soll es weniger Bürokratie für Krankenhäuser geben, etwa durch schlankere Dokumentation und eine allgemeine „Entschlackung“ des Systems. Mit der Einführung der Vorhaltevergütung werde sich der Aufwand bei Abrechnungsprüfungen verringern, da strukturierte Stichprobenprüfungen die bisherigen Einzelfallprüfungen ersetzen sollen, so das Gesundheitsministerium.
#2: Welche Motivation hat das Gesetz?
Ein Haupt-Beweggrund für das Gesetz ist die Entökonomisierung des Klinikbetriebs, die Abkehr vom rein (oder vorwiegend) wirtschaftlichen Denken bei der Arbeit mit Patienten. So sollen, durch das neue System der Vorhalte- statt Fallpauschalen, im Zweifelsfall unnötige Operationen vermieden werden.
Bislang besteht für die Klinik ein Anreiz (oder faktischer Zwang), aus Gründen der Auslastung und Rentabilität der Einrichtung auch hinsichtlich der medizinischen Notwendigkeit fragwürdige Leistungen durchzuführen, oder für die es eine günstigere Alternative gibt.
Die Gesetzesreform soll die Spezialisierung der Krankenhäuser voranbringen, durch die Definition von medizinischen Leistungsgruppen. Der Grundgedanke: Die kleineren und mittelgroßen Kliniken sollen sich auf bestimmte Fachrichtungen konzentrieren, anstatt alles (und dann nur mittelmäßig) zu leisten.
Durch die Ausnahmen und Zuschüsse für kleinere Häuser in dünnbesiedelten Gebieten will die Krankenhausreform den Erhalt der Kliniken in der Fläche sicherstellen.
Für die Patienten läge der Nutzen in gestiegener Transparenz, einer durch die neuen Anforderungen für die medizinischen Leistungsgruppen gesicherten Qualität sowie besseren Behandlungs-Ergebnissen durch die Spezialisierung der Häuser auf bestimmte Teildisziplinen.
#3: Wie soll die Reform finanziert werden?
Für die Umsetzung der Krankenhausreform, also des KHVVG, ist ein Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro über die Dauer von 10 Jahren geplant. Dieser soll je zur Hälfte vom Bund und durch die Bundesländer gefüllt werden und die Krankenhäuser über diese Zeit beim Umbau des Systems unterstützen.
Der Bund will allerdings nicht aus allgemeinen Haushaltsmitteln Geld einbringen, sondern seinen Anteil aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen finanzieren. Dies dürfte für Streit und Proteste der Krankenversicherungen sorgen.
#4: Was sind die weiteren Schritte?
Auch vor dem Hintergrund des andauernden Streits mit den Ländern ist der Gesetzesentwurf so geschrieben, dass er voraussichtlich kein Zustimmungsgesetz im Bundesrat ist. Wenn so auch die finale Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich wäre, könnte jener den Vermittlungsausschuss anrufen und Einspruch gegen das Gesetz erheben.
Der Bundestag hätte dann die Möglichkeit, den Bundesrat zu überstimmen (erfolgt der Einspruch im Bundesrat mit absoluter Mehrheit, ist auch für eine Überstimmung durch den Bundestag eine absolute Mehrheit erforderlich.
Entsprechendes gilt für einen Einspruch des Bundesrates mit Zwei-Drittel-Mehrheit, die dann auch im Bundestag nötig wäre). Dadurch, dass alle 16 Bundesländer Einwände gegen das Gesetz haben, könnte das Prozedere im Bundesrat spannend werden. Angesichts der vielfachen Widerstände dürfte das Ziel der Bundesregierung, das Gesetz 2025 in Kraft treten zu lassen, mit Vorsicht zu genießen sein.
#5: Welche Kritik gibt es?
Der AOK-Bundesverband kritisiert vor allem die Finanzierung des Bundesanteils über die Kassen, und damit über die Beiträge: Wenn die Pläne weiter durchsegelten, werde das „die Beitragszahlenden der GKV sehr teuer zu stehen kommen und zu höheren Beitragssätzen führen“, so Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands.
Dass die gesetzlichen Kassen für die Modernisierung der Kliniklandschaft zahlen müssten, stelle „die bisherige Logik der Krankenhaus-Finanzierung auf den Kopf“. Für diese seien die Bundesländer zuständig, da jene auch über die Krankenhausstruktur bestimmten.
Auf der anderen Seite bleibe weiter offen, welchen Nutzen die GKV-Versicherten von dieser Reform haben werden: Zu befürchten sei, dass die Leistungsgruppen in den Verhandlungen mit den Ländern gewissermaßen durch Hintertürchen und Ausnahmen „verwässert“ würden.
Die „Ziele der Krankenhausreform sind richtig – aber die vorgesehen Maßnahmen verfehlen diese Ziele und gefährden die Versorgungssicherheit“, so die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft (DKG), der Dachverband aller Krankenhausträger mit 1887 Kliniken in Deutschland. „Vor allem kleineren Kliniken in der Fläche droht das Aus, weil sich deren Finanzierungsgrundlage nicht verbessert.
Aber auch für Krankenhäuser mit Spezialaufgaben droht die Vorhaltefinanzierung zum Fiasko zu werden, weil zusätzliche Patientenbehandlungen, die sie aus kleineren Standorten übernehmen sollen deutlich schlechter vergütet werden als im heutigen Finanzierungssystem“, so DKG-Vorstandschef Dr. Gerald Gaß.
Niemand wisse, ob die neue Finanzierungsform funktioniere. „Im Blindflug in ein neues Finanzierungssystem zu starten, in dem sich dann rund 70 Milliarden Euro in veränderter Art und Weise auf die Krankenhäuser verteilen, ist ein unverantwortliches Vabanquespiel der Politik.“
Von Seiten der Bundesländer gibt es ebenfalls deutlichen Unmut an der Krankenhausreform. Alle 16 Länder-Gesundheitsminister forderten Änderungen, so der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne). „Sollte der Bund die Vorschläge der Länder nicht aufgreifen, ist der Gang in den Vermittlungsausschuss unausweichlich“, sagte Lucha weiter.
„Und ob Karl Lauterbach dann ein gemeinsames Vermittlungsergebnis noch in seiner Amtszeit als Minister erleben wird, halte ich für fraglich.“ Hauptsorge ist, trotz der angekündigten Ausnahmen für den ländlichen Bereich, ein Ausdünnen der Krankenhaus-Versorgung in der Fläche.
Auch die Gewerkschaft ver.di und der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) stimmten angesichts der geplanten Finanzierung des Bundesanteils durch Beitrags- anstatt Haushaltsmittel in die Kritik an der Krankenhausreform ein.