#1: Sinn und Zweck der HKP-Richtlinie
Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA) gestalten in den relevanten sozialversicherungsrechtlichen Bereichen einerseits das Leistungsrecht und andererseits das Leistungserbringerrecht.
Das heißt: In einem sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis werden die Beziehungen zwischen den gesetzlich versicherten Patienten, den zur Versorgung zugelassenen Leistungserbringern und den zur Leistung verpflichteten Sozialleistungsträgern verbindlich geregelt.
In § 92 Absatz 1 Nummer 6 und Absatz 7 Nummer 1 SGB V wird der Richtlinienauftrag um die häusliche Krankenpflege ergänzt. Insoweit soll die HKP-Richtlinie dem Vertragsarzt die Grundlage für eine sachgerechte Verordnung häuslicher Krankenpflege ermöglichen. Die verordnungsfähigen Maßnahmen sind grundsätzlich dem der HKP-Richtlinie als Anlage beigefügten Leistungsverzeichnis zu entnehmen.
#2: Wirkungsbereich der HKP-Richtlinie
Die HKP-Richtlinie zielt darauf ab, die ausreichende, zweckmäßige, notwendige und wirtschaftliche Verordnung der Maßnahmen zur häuslichen Krankenpflege unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der Wissenschaft zu ermöglichen. Diese Maßgabe normiert zugleich die sektorenübergreifenden Qualitätsanforderungen und sorgt damit für die leistungserbringerrechtliche Sicherheit im täglichen Behandlungsgeschehen.
Als Gegenstand der Qualitätssicherung kann die HKP-Richtlinie jedoch nicht nur das Recht der Leistungserbringung betreffen, sondern sie kann theoretisch auch Bestandteil des Haftungsrechts sein, wenn die Unterschreitung der gebotenen Leistungsqualität ursächlich für den Eintritt eines gesundheitlichen Schadens beim Patienten geworden ist. Eine solche Verletzung fachlicher Standards kann zudem auch von strafrechtlicher Relevanz sein und vergütungsrechtliche Auswirkungen nach sich ziehen, wenn das Verhältnis von Qualität und Wirtschaftlichkeit ins Ungleichgewicht gerät.
Die Inhalte der HKP-Richtlinie adressieren zuvorderst die im ambulanten Versorgungsgeschehen tätigen Vertragsärzte, ambulanten Pflegedienste und Wundzentren. Denkbar ist jedoch auch, dass die festgelegten Qualitätsparameter auf andere Sektoren ausstrahlen (Arztpraxis, stationäre Pflege und Krankenhaus).
#3: Flankierende Rahmenbedingungen zur HKP-Richtlinie
Die Erbringung der häuslichen Krankenpflege wird in gemeinsamer Selbstverwaltung gesteuert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung von Interessen der Pflegedienste maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundebene geben mit bindender Wirkung für die Krankenkassen Rahmenempfehlungen für die einheitliche und flächendeckende Versorgung mit häuslicher Krankenpflege ab.
Diese begründen den Inhalt des Sachleistungsanspruchs der Versicherten und erheben Kriterien zur Bestimmung der Leistungsqualität. Neben allgemeinen Regelungen für die häusliche Krankenpflege enthalten die Rahmenbedingungen in diesem Sinne auch differenzierte Anforderungen an die Versorgung von Patienten mit chronischen und schwer heilenden Wunden (siehe: § 6 der Rahmenempfehlungen).
#4: Qualitätsinitiative für die Versorgung chronischer Wunden
Seit dem 1. Oktober 2020 ist angestrebt, dass chronische und schwer heilende Wunden im Sinne der Leistungsziffer 31a der HKP-Richtlinie nur noch von spezialisierten Leistungserbringern versorgt werden sollen.
Ein derart spezialisierter Pflegedienst oder eine spezialisierte Einrichtung zur Wundversorgung (Wundzentrum) benötigt einen Versorgungsvertrag, in dem sie sich verpflichtet bestimmte personelle, fachliche, organisatorische und sachliche Voraussetzungen sicherzustellen.
Die Wundzentren haben darüber hinaus die folgenden zusätzlichen strukturelle Mindestvoraussetzungen zu erfüllen:
- In sich geschlossene und gewerblich nutzbare Geschäftsräume mit eigenständigem Telefonanschluss (nicht allein Mobilfunk).
- Die Räumlichkeiten müssen septische und aseptische Anforderungen/Voraussetzungen erfüllen.
- Die Empfehlungen zur Hygiene- und Infektionsprävention des RKI und entsprechende Empfehlungen der Fachgesellschaften sind anzuwenden.
- Die medizinisch-pflegerische Ausstattung muss den technischen und medizinischen Standards entsprechen.
Eine detaillierte Beschreibung sämtlicher Anforderungen steht auf Rechtsdepesche Online zur Verfügung.
#5: Ambulant vor stationär
Die Versorgung chronischer Wunden soll vorrangig in der Häuslichkeit der Patienten durch spezialisierte Leistungserbringer zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden erfolgen.
Nur wenn die Komplexität der Wundversorgung oder die Gegebenheiten im Haushalt des Versicherten eine ambulante Versorgung nicht zulassen, kann diese auch in einer spezialisierten Einrichtung zur Wundversorgung (Wundzentren) erfolgen. Dies muss aus der Verordnung hervorgehen.
Die Abrechnung der Versorgung nach der Leistungsziffer 31a ist derzeit noch vom Verhandlungsgeschick der handelnden Protogonisten oder der sie bei den Verhandlungen vertretenden Verbänden abhängig.
Was bedeutet dies nun für die Pflege?
Die Häusliche Krankenpflege-Richtlinie legt fest, welche Leistungen unter welchen Voraussetzungen von den Krankenkassen in der ambulanten Versorgung übernommen werden. Für die Pflege bedeutet dies, dass die aufgeführten pflegerischen Maßnahmen und Leistungen von den Krankenkassen finanziert werden können, wenn sie ärztlicherseits verordnet wurden und die Voraussetzungen der Richtlinie erfüllt sind.
Bei der Versorgung chronischer Wunden setzt die HKP-Richtlinie im Zusammenspiel mit den Rahmenempfehlungen des GKV-Spitzenverbandes darauf, dass chronische und schwer heilende Wunden bevorzugt von spezialisierten Pflegediensten oder Wundzentren erbracht werden. Zur Zulassung als spezialisierter Leistungserbringer sind bestimmte Eignungsanforderungen erforderlich. Diese sind in § 6 der Rahmenempfehlungen festgelegt. Nicht spezialisierte Pflegedienste sollen die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden nur noch dann erbringen, wenn kein auf die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden spezialisierter Pflegedienst die Versorgung übernehmen kann.