#1: Mediziner, Pathologe, Kinderarzt
Scipione Riva-Rocci wurde am 7. August 1863 in der Gemeinde Almese (Piemont/Italien) geboren. Im Jahr 1888 schloss er seine akademische Ausbildung an der Universität Turin in Innerer Medizin und Chirurgie ab. Zunächst arbeitete er als Assistent unter Carlo Forlanini, der als Erfinder der Technik des künstlichen Pneumothorax gilt. Riva-Rocci unterstützt Forlanini bei dessen Forschungen.
1894 habilitierte Scipione Riva-Rocci in dem Fach spezielle Pathologie der Inneren Medizin. Vier Jahre später folgte er zunächst seinem früheren Mentor Forlanini zur Universität Pavia, die zu den ältesten Universitäten Europas zählt, bis er zur Jahrhundertwende die Stelle als leitender Chefarzt des Städtischen Krankenhauses in Varese (Lombardei) antrat.
Im Jahr 1907 habilitierte Riva-Rocci erneut; diesmal im Bereich Pädiatrie (Kinder- und Jugendmedizin).
#2: Nicht die allererste Blutdruckmessung
Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein war es üblich, den Blutdruck „direkt“ zu bestimmen, das heißt durch Einführen einer Messsonde in eine große Körperarterie. Dieses Verfahren ging auf den Engländer Stephan Hales zurück, der 1713 einem fixierten Pferd ein Glasrohr in die Halsschlagader einführte und so die Veränderungen des Blutdrucks sichtbar machen konnte.
Später wurde diese Idee wieder aufgegriffen und in einem kleineren Maßstab für den Gebrauch am Menschen umgesetzt. Diese „blutige“ Methode war für die Betroffenen jedoch mit erheblichen Ängsten, Beschwerden und nicht zuletzt großen Risiken (zum Beispiel Infektionen) verbunden, weshalb sie nicht wirklich auf Gegenliebe stieß.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts haben verschiedene Forscher und Erfinder damit begonnen, an alternativen Messmethoden zu arbeiten. Diese zumeist als Sphygmographen bezeichneten Geräte sahen zunächst die Fixierung der Hand vor. Sodann wurde auf das Handgelenk (je nach Ausführung) eine Membran oder ein Wasserballon aufgebracht, mit dessen Hilfe der Puls in den Handgelenksarterien unterdrückt wurde. Der hierzu erforderliche Druck presste gleichzeitig Quecksilber, welches sich in einem kalibrierten Glasröhrchen befand, nach oben und zeigte so – analog einer Wasserstandsanzeige – den korrespondierenden Druckwert an.
#3: Riva-Roccis Methode: Unblutig und indirekt
Bereits während seiner Zeit als Assistenzarzt dachte auch Riva-Rocci über eine unblutige und schmerzlos einsetzbare Alternative zur Blutdruckmessung nach. 1896 stellte er dann sein Verfahren zur nichtinvasiven indirekten Blutdruckmessung vor.
Das Kernstück von Riva-Roccis Methode ist eine Oberarmmanschette aus Gummi, die eine gleichmäßige zirkuläre Kompression ermöglicht. Gleichzeitig kann der Arzt mit seinen Fingern bequem die Pulsationen der Speichenarterie (Arteria radialis) am Handgelenk ertasten (palpatieren).
Eine Weiterentwicklung der Quecksilbermesssäule – das Sphygmomanometer – dient zur Anzeige der Blutdruckwerte. Letzteres ist auch der Grund für die bis heute in der Medizin übliche Angabe der Blutdruckwerte in Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) anstelle der physikalischen Standardeinheit (SI) für den Druck, dem Pascal (Pa).
Die Methode ist verhältnismäßig einfach: Durch das Aufpumpen der Gummimanschette wird die Oberarmarterie (Arteria brachialis) komprimiert. Ist eine vollständige Kompression gegeben, sollte der Arzt nicht mehr in der Lage sein, den Pulsschlag an der Speichenarterie zu erspüren. Wird der Puls beim Ablassen des Manschettendrucks wieder tastbar, so entspricht der in diesem Moment auf der Quecksilbersäule angezeigte Wert den systolischen Blutdruck.
#4: Die (modifizierte) Methode ist heute Standard
Das von Riva-Rocci eingeführte Verfahren sollte sich schon bald zum Goldstandard für die Messung des Blutdrucks entwickeln. Einen großen Anteil an diesem Erfolg ist eine Reihe von Zeitgenossen geschuldet, die die Arbeit des Italieners wesentlich verfeinerten und/oder ergänzten.
Hier ist in erster Linie der russische Militärarzt Nikolai Korotkow zu nennen, der 1905 erstmals den Einsatz des Stethoskops zum Abhören der später nach ihm benannten Geräusche während des Entlüftens der Manschette beschrieb. Durch das Abhören der Geräusche konnte sowohl der systolische als auch der diastolische Blutdruck ermittelt werden.
Bereits im Jahr 1901 suchte der US-amerikanische Arzt Harvey Williams Cushing Riva-Rocci in Pavia auf und ließ sich dessen Methode im Klinikbetrieb zeigen. Cushing, der später zu einem bedeutenden Neurochirurgen werden sollte, übernahm die Messtechnik, verfeinerte diese und trug wesentlich zu deren Verbreitung in den Vereinigten Staaten bei.
Weitere Mediziner, wie zum Beispiel der Deutsche Heinrich von Recklinghausen, entwickelten die Methode maßgeblich fort. Dadurch erhöhte sich die Genauigkeit und verbesserte sich die Handhabung nochmals.
#5: Seine Initialen zur Erinnerung
Von 1909 bis 1916 hatte er zudem als Erster den Lehrstuhl für Pädiatrie an der altehrwürdigen Universität von Pavia inne. Wegen fortschreitender gesundheitlicher Probleme trat er 1928 von allen Ämtern zurück. Schon bald sollten sich die Symptome einer Enzephalitis lethargica Economo einstellen.
Am 15. März 1937 verstarb Scipione Riva-Rocci im Alter von 74 Jahren nach langer Krankheit. Seine Grabstätte befindet sich heute in San Michele di Pagana (Gemeinde Rapallo, Ligurien).
Riva-Rocci wurde für seine Leistung nie mit einer wichtigen Auszeichnung bedacht. Nur das bis heute als Synonym für den Blutdruck im medizinischen Fachjargon gebräuchliche „RR“ erinnert an den italienischen Kinderarzt und die mit seinem Namen verbundene Messmethode.