#1: Wie ist Schichtarbeit genau definiert?
Obwohl Schichtarbeit (manchmal auch Schichtdienst genannt) so ein verbreitetes Phänomen ist, gibt es – erstaunlicherweise – keine feste, allgemeinverbindliche gesetzliche oder arbeitsrechtliche Definition. Im Allgemeinen spricht man von Schichtarbeit, wenn ein Arbeitsplatz nacheinander von mindestens zwei (Vollzeit-) Kräften besetzt ist, um die tägliche Betriebs- bzw. Produktionsdauer zu erhöhen und/oder die Verfügbarkeit eines Angebots auch in den Abend- oder Nachtstunden sicherzustellen. Bei Schichtmodellen wechseln sich die Beschäftigten im Regelfall bei ihren Einsatzzeiten ab.
Zumindest im Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD), der für Beschäftigte des Bundes oder kommunaler Arbeitgeber gilt, ist Schichtarbeit definiert, und zwar folgendermaßen: Der früheste Arbeitsbeginn und das späteste Arbeitsende im Dienstplan des Beschäftigten müssen mindestens 13 Stunden auseinander liegen, damit Schichtarbeit vorliegt. Außerdem müssen die Anfangszeiten um mindestens zwei Stunden versetzt sein.
Erstrecken sich die Einsatz-Zeiträume eines Beschäftigten über die kompletten 24 Stunden, spricht man gemeinhin von Wechselschichtdienst. Dies ist gerade in Krankenhäusern oder Pflegeheimen gegeben, die rund um die Uhr besetzt sein müssen.
Jedoch auch in zahlreichen weiteren Bereichen, etwa bei Feuerwehr, der Polizei, in den Medien (zum Beispiel TV- und Radiosender) oder in der Energie- und Wasserversorgung, sowie in einigen Industriebetrieben, die rund um die Uhr produzieren (etwa Aluminiumhütten oder Stahlwerke), sowie in Verkehrs- und Transportwesen (zum Beispiel Bahn- und Flugverkehr, Logistik-Terminals).
#2: So verbreitet ist Schichtdienst
Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes von 2017 arbeiteten 25,2 Prozent der Arbeitnehmer regelmäßig in den Abendstunden zwischen 18 und 23 Uhr. 8,5 Prozent arbeiteten in den Nacht- beziehungsweise frühen Morgenstunden, zwischen 23 und 6 Uhr.
Zum Vergleich: 1992 arbeiteten nur 15,5 Prozent abends, 7,6 Prozent nachts. Laut einer weiteren Erhebung der europäischen Statistikbehörde Eurostat ist zwischen 1992 und 2006 der Anteil der Erwerbstätigen in Deutschland, die Schichtarbeit leisten, von 11,5 auf 17,4 Prozent gestiegen. Die Unterschiede zwischen den Zahlen der deutschen und europäischen Statistiker sind auch bedingt durch eine unterschiedliche Definition der Schichtarbeit.
Die Schichtarbeit ist also auf dem Vormarsch. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zu nennen sind vor allem die im Vergleich zu Anfang der 1990er-Jahre deutlich flexibleren (und damit tendenziell längeren) Ladenöffnungszeiten, aber auch ein verändertes Ausgehverhalten, verbunden mit mehr Arbeitsplätzen im Gastronomie und Freizeitangeboten. Die „24-Stunden-Gesellschaft“ – alles sollte bei Bedarf sofort, am besten rund um die Uhr verfügbar sein – macht sich also deutlich bemerkbar.
#3: Wie beliebt oder unbeliebt ist das Arbeitszeitmodell?
Eine lästige Notwendigkeit, an der man (je nach Branche) nicht vorbeikommt – oder auch eine Abwechslung im Alltag, die ungestörtes Einkaufen oder unkomplizierte Arzttermine unter der Woche ermöglicht, oder die Möglichkeit, mal auszuschlafen? Abgesehen von den Zuschlägen für Spät- und Nachtdienste, die zumeist sogar steuerfrei sind.
Trotz der genannten Vorteile eines Schichtmodells scheinen geregelte Arbeitszeiten insgesamt beliebter bei Berufstätigen zu sein. Laut einer DGB-Studie sind 54 Prozent der Nicht-Schichtarbeitenden mit ihrer Arbeitszeit rundum zufrieden, jedoch nur 35 Prozent der im Schichtdienst Beschäftigten.
#4: Was sind die gesundheitlichen Risiken?
Laut einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (BAuA) [PDF-Datei] wirkt sich Schichtarbeit eindeutig negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten aus. So berichteten in der für die Studie durchgeführten Befragung 60 Prozent der Wechselschicht-Arbeitskräfte von Rücken- und Kreuzschmerzen, hingegen nur 49 Prozent der Befragten, deren Arbeitszeit regelmäßig zwischen 7 und 19 Uhr liegt.
Noch ausgeprägter ist der Unterschied bei Schlafstörungen (50 vs. 31 Prozent). Ebenfalls deutlich sind die Differenzen zwischen Schicht- und „Normal„arbeitenden bei körperlicher Erschöpfung (50 vs. 37 Prozent), Müdigkeit (63 vs. 52 Prozent) und häufigen Gefühlen der Niedergeschlagenheit (30 vs. 23 Prozent).
Zudem neigen Schicht-Beschäftigte dazu, sich ungesünder zu ernähren. Offenbar gibt es zu Abend- und Nachtzeiten eine stärkere Neigung oder einen Heißhunger auf fettige oder überwürzte Gerichte. In Verbindung mit Schichtarbeit wird natürlich auch das Verdauungssystem gestresst, wenn es sich nicht auf regelmäßige Essenszeiten einstellen kann.
#5: Wie lässt sich Schichtdienst gesundheitlich und sozial besser gestalten?
Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat zum Thema Schichtarbeit und Gesundheit einen ausführlichen Leitfaden aufgelegt, um die gesundheitlichen Folgen von Nachtarbeit zu minimieren. Der Leitfaden ist zwar auf Produktionsbetriebe in der Industrie ausgerichtet, aber auch für Gesundheits- und Pflegewesen sind die Tipps größtenteils übertragbar.
Unter anderem wird dort empfohlen, die Anzahl der aufeinander folgenden Nachtschichten zu minimieren; eine ausreichende Erholung muss danach gegeben sein. Die Frühschicht sollte nicht vor 6 Uhr morgens beginnen; bei der Schichtfolge sind vorwärts-rollierende Modelle (früh – spät – nachts) zu bevorzugen. Außerdem sollte die Schichtlänge an Arbeitsbelastung und Alter des jeweiligen Beschäftigten angepasst werden; Dauer-Nachtschichten sollte es nicht geben.
Für nachts tätige Beschäftigte sind ferner zusätzliche arbeitsmedizinische Untersuchungen sinnvoll, um negative Entwicklungen früh zu erkennen. Wer nachts arbeitet, sollte ganz bewusst darauf achten, sich in dieser Zeit leicht und gesund zu ernähren, statt sich mit schwerer und/oder fettiger Kost zusätzlich zu belasten. Am Arbeitsplatz empfiehlt es sich, eine Beleuchtung mit geringem Blau-Anteil zu wählen – bläuliches Licht bringt die „innere Uhr“ zusätzlich durcheinander.
Um die Schicht- beziehungsweise Nachtarbeit möglichst sozialverträglich zu gestalten, empfiehlt sich der „Dienstplan mit Wünschen“. Arbeitnehmer sollten die Möglichkeit haben, gewünschte freie Tage bzw. freie Abende – etwa für Unternehmungen oder Einladungen – weit genug im Voraus anmelden zu können.
Eine Möglichkeit ist ein Kontingent von „Prioritätspunkten“ für Schichten, die man unbedingt frei haben möchte. Natürlich ist ein mit den Beschäftigten gemeinsam erstellter Dienstplan aufwändiger – aber er erhöht die Arbeits-Zufriedenheit ungemein und erspart (zumeist) lästiges Dienste-Tauschen unter den Kollegen.