Ignaz Philipp Semmelweis (1818-1865).
Ignaz Philipp Semmel­weis (1818–1865), auch als „Retter der Mütter“ betitelt. Er entdeckte die hygie­ni­schen Ursachen für das Sterben zahlrei­cher Mütter nach der Entbin­dung. Bild: Eugen Doby (1834–1907)

#1: Vom Jura-Studium zur Geburts­hilfe

Ignaz Semmel­weis wurde am 1. Juli 1818 als fünftes Kind des Großhänd­lers Josef Semmel­weis und der wohlha­ben­den Theresa Müller im ungari­schen Buda – damals hieß der Ort noch Ofen; heute ist er ein Stadt­teil von Budapest – geboren.

Anfäng­lich strebt Ignaz Semmel­weis die Karriere eines Militär­an­walts an, weshalb er von 1835 bis 1837 an der Univer­si­tät Pest in den Fächern Jura und Philo­so­phie studierte. Aller­dings wechselte er ein Jahr später zum Medizin­stu­dium, das er 1844 in Wien mit dem Magis­ter der Geburts­hilfe abschloss.

#2: Faktisch Mitbe­grün­der der evidenz­ba­sier­ten Medizin

Als Arzt verlangte Semmel­weis die Einfüh­rung einer syste­ma­tisch vorge­hen­den klini­schen Beobach­tung. Dieser Umstand, der ihn faktisch zu einem Urvater der sogenann­ten evidenz­ba­sier­ten Medizin – heute Standard bei der wissen­schaft­li­chen Generie­rung von medizi­ni­schem Handlungs­wis­sen (zum Beispiel in Leitli­nien), damals ein Novum – machte, hatte ungeahnte Auswir­kun­gen: So wurde Semmel­weiß‘ eigene Disser­ta­tion, die sich mit der zur damali­gen Zeit populä­ren Theorie des Vitalis­mus ausein­an­der­setzte, allmäh­lich als unwis­sen­schaft­lich verdrängt.

Sein wissen­schaft­li­ches Handwerks­zeug verfei­nerte er unter anderem durch die Arbeit in der Brust­am­bu­lanz von Josef von Škoda (1805–1881). Unter Škoda, einem bedeu­ten­den Klini­ker, erlernt er die Methode der Diffe­ren­ti­al­dia­gnos­tik und die Anwen­dung statis­ti­scher Instru­mente zur wissen­schaft­li­chen Auswer­tung.

#3: Ignaz Semmel­weis, Retter der Mütter

Ab 1846 war Ignaz Semmel­weis als Assis­tenz­arzt an der ersten Wiener Klinik für Geburts­hilfe tätig, die unter der Leitung von Profes­sor Johann Klein stand. Diese bestand aus zwei Abtei­lun­gen: In der einen Abtei­lung lernten Medizin­stu­den­ten, für die andere Abtei­lung waren die Hebam­men zustän­dig.

Semmel­weis fiel auf, dass in der erst genann­ten Abtei­lung deutlich mehr Mütter am sogenann­ten Kindbett­fie­ber verstar­ben als in der Abtei­lung der Hebam­men – nach einigen Quellen bis zu zehnmal mehr!

Als ein Kollege verstirbt, nachdem ihn ein Student beim Sezie­ren verletzt hat, kommt Semmel­weis dann der entschei­dende Erkennt­nis­mo­ment: Er macht die mangelnde Hände­hy­giene und fehlende Desin­fek­tion für das Verster­ben der Mütter verant­wort­lich – eine These, die Mitte des 19. Jahrhun­derts noch völlig neu war.

Darauf­hin führte er Hygie­ne­vor­schrif­ten ein, wonach vor jeder Patien­ten­un­ter­su­chung eine gründ­li­che Reini­gung der Hände mit Chlor­kalk zu erfol­gen hatte. Tatsäch­lich reduzierte sich seither die Sterbe­rate erheb­lich, ein Erfolg seiner Maßnahme war also offen­sicht­lich. Heute gilt Ignaz Semmel­weis daher als „Retter der Mütter“.

#4: Semmel­weiß erfur Ignoranz und Anfein­dun­gen

Dennoch blieb ihm seiner­zeit die entspre­chende Anerken­nung verwehrt – Kolle­gen und andere bekannte Medizi­ner, wie zum Beispiel Rudolf Virchow, teilten nicht die Einsicht, dass eine fehlende Hygiene verant­wort­lich für das so oft auftre­tende Kindbett­fie­ber war. Für sie lag die Ursache für das Kindbett­fie­ber im Organis­mus der Mutter, der von gären­den Fremd­stof­fen (wobei unklar blieb, wie diese da überhaupt hinein­ge­kom­men sein sollen) belas­tet ist. Die Vorstel­lung, dass Ärzte selbst zur Krank­heits­ver­brei­tung und ‑entste­hung beitru­gen war für viele undenk­bar, weshalb sie die Hygiene ablehn­ten.

In der Folge erfuhr Ignaz Semmel­weis viele Anfein­dun­gen: Als „Nestbe­schmut­zer“ verun­glimpft, sorgten seine Gegener dafür, dass er seine Assis­tenz­tä­tig­keit nicht weiter verlän­gert wurde. Bestre­bun­gen seines ehema­li­gen Chefs, Profes­sor Klein, führten zur Ableh­nung seiner Aufnahme in die k.k. Gesell­schaft der Ärzte.

Als weitere Demüti­gung sorgten Intri­gen dafür, dass er im Jahr 1850 ausschließ­lich eine Privat­do­zen­tur für theore­ti­sche Geburts­hilfe mit Übungen am Phantom erhielt. Über diese beruf­li­che Einschrän­kung war Semmel­weis derma­ßen erbost, dass er nur fünf Tage nach seiner Ernen­nung Wien verließ. Er zog ins ungari­sche Pest wo er dann ab 1855 die Profes­sur für theore­ti­sche und prakti­sche Geburts­hilfe an der Univer­si­tät von Pest hielt.

Nach wie vor überzeugt von seiner Entde­ckung, setzte er sich in offenen Briefen weiter­hin für seine Hygie­ne­vor­schrif­ten ein und veröf­fent­lichte 1861 das Werk „Ätiolo­gie, Begriff und Prophy­laxe des Kindbett­fie­bers“.

1865 lieferte man ihn – vorgeb­lich wegen schwe­ren Depres­sio­nen – in die Landes­ir­ren­an­stalt Döbling ein, wo er unter nicht näher geklär­ten Umstän­den im Alter von nur 47 Jahren verstarb.

Eine 1963 erfolgte Exhumie­rung seiner sterb­li­chen Überreste erbrachte den Nachweis multi­pler Fraktu­ren – was dem in den Anstalts­ak­ten festge­hal­te­nen offizi­el­len Sterbe­grund zu wider­spre­chen scheint.

Semmelweis-Frauenklinik in Wien Währing, Haus 1
Haus 1 der Semmel­weis-Frauen­kli­nik in Wien Währing, benannt nach Ignaz Semmel­weis. Bild: Peter Gugerell

#5: Die Anerken­nung erfolgte erst nach dem Tod

Erst nachdem der bekannte schot­ti­sche Arzt Joseph Lister die syste­ma­ti­sche Deinfek­tion in der Chirur­gie einführte, wurde allmäh­lich die Notwen­dig­keit von Hygie­ne­maß­nah­men deutlich. Zwar wird Lister seitdem oftmals als „Vater der Antisep­sis“ bezeich­net, einen großen Anteil gebührt jedoch Ignaz Semmel­weis, auf dessen Arbei­ten sich Lister unter anderem stützte.

Die noch zu Lebzeit verwei­gerte Anerken­nung sollte sodann posthum erfol­gen: Heute ist beispiels­weise die Semmel­weis-Univer­si­tät in Budapest sowie die Semmel­weis-Frauen­kli­nik in Wien nach ihm benannt.