#1: Vom Jura-Studium zur Geburtshilfe
Ignaz Semmelweis wurde am 1. Juli 1818 als fünftes Kind des Großhändlers Josef Semmelweis und der wohlhabenden Theresa Müller im ungarischen Buda – damals hieß der Ort noch Ofen; heute ist er ein Stadtteil von Budapest – geboren.
Anfänglich strebt Ignaz Semmelweis die Karriere eines Militäranwalts an, weshalb er von 1835 bis 1837 an der Universität Pest in den Fächern Jura und Philosophie studierte. Allerdings wechselte er ein Jahr später zum Medizinstudium, das er 1844 in Wien mit dem Magister der Geburtshilfe abschloss.
#2: Faktisch Mitbegründer der evidenzbasierten Medizin
Als Arzt verlangte Semmelweis die Einführung einer systematisch vorgehenden klinischen Beobachtung. Dieser Umstand, der ihn faktisch zu einem Urvater der sogenannten evidenzbasierten Medizin – heute Standard bei der wissenschaftlichen Generierung von medizinischem Handlungswissen (zum Beispiel in Leitlinien), damals ein Novum – machte, hatte ungeahnte Auswirkungen: So wurde Semmelweiß‘ eigene Dissertation, die sich mit der zur damaligen Zeit populären Theorie des Vitalismus auseinandersetzte, allmählich als unwissenschaftlich verdrängt.
Sein wissenschaftliches Handwerkszeug verfeinerte er unter anderem durch die Arbeit in der Brustambulanz von Josef von Škoda (1805–1881). Unter Škoda, einem bedeutenden Kliniker, erlernt er die Methode der Differentialdiagnostik und die Anwendung statistischer Instrumente zur wissenschaftlichen Auswertung.
#3: Ignaz Semmelweis, Retter der Mütter
Ab 1846 war Ignaz Semmelweis als Assistenzarzt an der ersten Wiener Klinik für Geburtshilfe tätig, die unter der Leitung von Professor Johann Klein stand. Diese bestand aus zwei Abteilungen: In der einen Abteilung lernten Medizinstudenten, für die andere Abteilung waren die Hebammen zuständig.
Semmelweis fiel auf, dass in der erst genannten Abteilung deutlich mehr Mütter am sogenannten Kindbettfieber verstarben als in der Abteilung der Hebammen – nach einigen Quellen bis zu zehnmal mehr!
Als ein Kollege verstirbt, nachdem ihn ein Student beim Sezieren verletzt hat, kommt Semmelweis dann der entscheidende Erkenntnismoment: Er macht die mangelnde Händehygiene und fehlende Desinfektion für das Versterben der Mütter verantwortlich – eine These, die Mitte des 19. Jahrhunderts noch völlig neu war.
Daraufhin führte er Hygienevorschriften ein, wonach vor jeder Patientenuntersuchung eine gründliche Reinigung der Hände mit Chlorkalk zu erfolgen hatte. Tatsächlich reduzierte sich seither die Sterberate erheblich, ein Erfolg seiner Maßnahme war also offensichtlich. Heute gilt Ignaz Semmelweis daher als „Retter der Mütter“.
#4: Semmelweiß erfur Ignoranz und Anfeindungen
Dennoch blieb ihm seinerzeit die entsprechende Anerkennung verwehrt – Kollegen und andere bekannte Mediziner, wie zum Beispiel Rudolf Virchow, teilten nicht die Einsicht, dass eine fehlende Hygiene verantwortlich für das so oft auftretende Kindbettfieber war. Für sie lag die Ursache für das Kindbettfieber im Organismus der Mutter, der von gärenden Fremdstoffen (wobei unklar blieb, wie diese da überhaupt hineingekommen sein sollen) belastet ist. Die Vorstellung, dass Ärzte selbst zur Krankheitsverbreitung und ‑entstehung beitrugen war für viele undenkbar, weshalb sie die Hygiene ablehnten.
In der Folge erfuhr Ignaz Semmelweis viele Anfeindungen: Als „Nestbeschmutzer“ verunglimpft, sorgten seine Gegener dafür, dass er seine Assistenztätigkeit nicht weiter verlängert wurde. Bestrebungen seines ehemaligen Chefs, Professor Klein, führten zur Ablehnung seiner Aufnahme in die k.k. Gesellschaft der Ärzte.
Als weitere Demütigung sorgten Intrigen dafür, dass er im Jahr 1850 ausschließlich eine Privatdozentur für theoretische Geburtshilfe mit Übungen am Phantom erhielt. Über diese berufliche Einschränkung war Semmelweis dermaßen erbost, dass er nur fünf Tage nach seiner Ernennung Wien verließ. Er zog ins ungarische Pest wo er dann ab 1855 die Professur für theoretische und praktische Geburtshilfe an der Universität von Pest hielt.
Nach wie vor überzeugt von seiner Entdeckung, setzte er sich in offenen Briefen weiterhin für seine Hygienevorschriften ein und veröffentlichte 1861 das Werk „Ätiologie, Begriff und Prophylaxe des Kindbettfiebers“.
1865 lieferte man ihn – vorgeblich wegen schweren Depressionen – in die Landesirrenanstalt Döbling ein, wo er unter nicht näher geklärten Umständen im Alter von nur 47 Jahren verstarb.
Eine 1963 erfolgte Exhumierung seiner sterblichen Überreste erbrachte den Nachweis multipler Frakturen – was dem in den Anstaltsakten festgehaltenen offiziellen Sterbegrund zu widersprechen scheint.
#5: Die Anerkennung erfolgte erst nach dem Tod
Erst nachdem der bekannte schottische Arzt Joseph Lister die systematische Deinfektion in der Chirurgie einführte, wurde allmählich die Notwendigkeit von Hygienemaßnahmen deutlich. Zwar wird Lister seitdem oftmals als „Vater der Antisepsis“ bezeichnet, einen großen Anteil gebührt jedoch Ignaz Semmelweis, auf dessen Arbeiten sich Lister unter anderem stützte.
Die noch zu Lebzeit verweigerte Anerkennung sollte sodann posthum erfolgen: Heute ist beispielsweise die Semmelweis-Universität in Budapest sowie die Semmelweis-Frauenklinik in Wien nach ihm benannt.