#1: Eine Feministin wies ihr den Weg
Agnes Karll wird am 25. März 1868 als drittes Kind einer Gutsbesitzerfamilie in Embsen in der Lüneburger Heide geboren. 14-jährig beginnt sie eine Ausbildung zur Lehrerin in Schwerin und arbeitet ab 1884 auch in diesem Beruf. Sie trifft die Feministin Johanna Willborn, die ihr ein neues Lebensgefühl vermittelt. Denn Karll fühlt sich als Lehrerin nicht wohl.
Sie startet 1887 mit einer Krankenpflegeausbildung bei den Clementinnen in Hannover, einer Einrichtung des Roten Kreuzes. Die Ausbildung dort erfolgt nach dem System von Florence Nightingale. Damit hat sie das Fachgebiet gefunden, das ihr weiteres Leben prägen wird.
#2: Agnes Karll war mit der Pflege in den USA vertraut
Die Ausbildung von Agnes Karll läuft auf gehobenen Niveau, aber Karll erkennt rasch, dass Schwestern schlecht gestellt und beruflich nicht organisiert sind. Pflege wird als karitativer Dienst verstanden, der unentgeltlich abzuleisten ist. Die Arbeitszeiten sind lang, über 20 Stunden am Tag, es gibt keine Pausen, keinen Urlaub und schlechte Ernährung. Eine einheitliche Ausbildungsregelung gibt es nicht und auch keine soziale Sicherung.
Agnes Karll verlegt sich deshalb auf die Privatpflege, siedelt nach Berlin um und begleitet eine Person in die USA, wo sie die dortigen Bedingungen für Pflegende kennen und schätzen lernt. Doch die Mühen der Privatpflege bringen sie an den Rand ihrer Kräfte.
#3: Agnes Karll war berufspolitisch stark engagiert
1902 entschließt sich Agnes Karll in einer Gruppe mit anderen Feministinnen, politisch aktiv zu werden und eine Berufsorganisation für Pflegende zu gründen. Ein Jahr später ist es soweit: Die „Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands“ (B.O.K.D.) wird aus der Taufe gehoben.
1906 erscheint die erste B.O.K.D.-Verbandszeitschrift „Unterm Lazaruskreuz“ und die erste gesetzliche Ausbildung für Pflegende tritt in Preußen in Kraft.
Die B.O.K.D., die zwischenzeitlich von den Nazis verboten wurde, wirkte nach Kriegsende zunächst als Agnes-Karll-Verband und später als Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) bis heute fort.
#4: Karll war Mitbegründerin und Präsidentin des ICN
Im Juli 1904 – gründen Berufsverbände aus dem Vereinigten Königreich, der USA, Irlands und Deutschlands in Berlin den Weltbund der Krankenschwestern und Krankenpfleger, besser kannt als International Council of Nurses (ICN).
Für Deutschland trat Agnes Karll mit ihrem 300 Mitglieder starken B.O.K.D. bei. Im Jahre 1909 wird Agnes Karll Vorsitzende des ICN.
#5: Ihr Name und Vermächtnis lebt weiter
Agnes Karll stirbt am 12. Februar 1927 im Alter von nur 59 Jahren an Krebs. Doch ihr Name und ihre Leistungen leben bis heute weiter: Die Pflege ist zu einem anerkannten Beruf geworden, Pflegende erhalten Lohn, haben Arbeitszeitregelungen und sind sozialversichert. Der Professionalisierungsprozess der Pflege, den Krall mitangestoßen hatte, hält bis heute an.
Agnes Karll ist Namensgeberin des Instituts für Pflegeforschung in Berlin (AKI), von Kliniken (zum Beispiel in Bad Schwartau und Laatzen) und Pflegeschule. Auch viele Straßen und Pflegeeinrichtungen sind heute nach ihr benannt.
Des Weiteren hatte der DBfK mehrmals den „Agnes Karll-Preis“ ausgelobt.