Patientenakte
Die elektro­ni­sche Patien­ten­akte – schon bald wird sie Standard sein Bild: © Miriam Doerr | Dreamstime.com

#1: Was ist die elektro­ni­sche Patien­ten­akte?

Die elektro­ni­sche Patien­ten­akte (ePA), manch­mal auch „elektro­ni­sche Gesund­heits­akte“ (eGA) genannt, ist eine Daten­bank, in der sämtli­che persön­li­chen gesund­heits- und behand­lungs­be­zo­ge­nen Aufzeich­nun­gen – etwa Behand­lungs­da­ten, Befunde, einge­nom­mene Medika­mente, Labor­da­ten und Röntgen­bil­der, vorlie­gende Aller­gien und Unver­träg­lich­kei­ten sowie weitere Merkmale wie der Impfsta­tus, Dokumente wie zahnärzt­li­che Bonus­hefte, Patien­ten­ver­fü­gun­gen oder Erklä­run­gen zur Organ­spende-Bereit­schaft – landes­weit einheit­lich gespei­chert werden können.

Die Daten liegen auf virtu­el­len Servern (Cloud­spei­chern) in der deutschen Telema­tik-Infra­struk­tur, die netzwerk­mä­ßig mitein­an­der verbun­den sind und hohen Sicher­heits­stan­dards genügen (sollen).

Mitwir­kende im Gesund­heits­we­sen, wie Ärzte, Apothe­ker, Kranken­häu­ser oder Pflege­ein­rich­tun­gen, können, nach Autori­sie­rung durch die elektro­ni­sche Gesund­heits­karte der Patien­ten, auf die ePA zugrei­fen – wie auch der Patient, via Smart­phone-App, selbst seine Unter­la­gen einse­hen kann.

Sehr wichtig: Alle Behand­lungs­do­ku­mente werden weiter­hin paral­lel von den Leistungs­er­brin­gern geführt und dort aufbe­wahrt – bei den Ärzten, Psycho­the­ra­peu­ten oder Kranken­häu­sern. Die ePA ist also eine Zweit­do­ku­men­ta­tion, nur Kopien der Behand­lungs­un­ter­la­gen werden in sie aufge­nom­men.

Zudem sollen die Patien­ten selbst bestim­men, welche Unter­la­gen in die elektro­ni­sche Patien­ten­akte kommen, und einer Aufnahme der Daten in die Akte (wie auch der Anlegung der Akte an sich, siehe nächs­ter Punkt) ausdrück­lich wider­spre­chen können.

Bei beson­ders sensi­blen Merkma­len oder Befun­den, wie Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen, sexuell übertrag­ba­ren Krank­hei­ten oder psychi­schen Erkran­kun­gen, sollen Ärzte und Thera­peu­ten ihre Patien­ten expli­zit auf die Möglich­keit der Nicht-Aufnahme der Daten in die elektro­ni­sche Akte hinwei­sen.

#2: Wie verlief die Entwick­lung, und was ist geplant?

Erste regio­nale Pilot­pro­jekte zu einer elektro­ni­schen Patien­ten­akte liefen bereits seit 2011. Projekt­trä­ger ist die Ge­sell­schaft für Te­le­ma­tik­an­wen­dun­gen der Ge­sund­heits­kar­te mbH (ge­ma­tik), die bereits am 11. Ja­nu­ar 2005 ge­grün­det wurde – damals, um die Telema­tik-Infra­struk­tur der elektro­ni­schen Gesund­heits­karte (eGK) aufzu­bauen und umzuset­zen.

Auf die eGK setzt nun wiederum die ePA auf. Gesell­schaf­ter der gematik GmbH sind mit einem 51-Prozent-Mehrheits­an­teil das Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit, weiter­hin mit 22,05 Prozent der GKV-Spitzen­ver­band sowie mit jeweils kleinen Antei­len die Bundes(zahn)ärztekammer, die Kassen(zahn)ärztliche Bundes­ver­ei­ni­gung, der Deutsche Apothe­ker­ver­band, die Deutsche Kranken­haus­ge­sell­schaft (DKG) sowie der Verband der Priva­ten Kranken­ver­si­che­rung (PKV).

Bereits seit dem 1. Januar 2021 können alle gesetz­lich Versi­cher­ten auf Wunsch eine elektro­ni­sche Patien­ten­akte (ePA) ihrer Kranken­kas­sen erhal­ten, in der medizi­ni­sche Befunde und Infor­ma­tio­nen aus vorher­ge­hen­den Unter­su­chun­gen und Behand­lun­gen über Praxis- und Kranken­haus­gren­zen hinweg umfas­send gespei­chert werden können.

Eine äußerst wichtige Änderung gibt es mit Beginn des kommen­den Jahres: Ab dem 1. Januar 2025 wird die ePA automa­tisch für alle rund 73 Millio­nen gesetz­lich Versi­cher­ten einge­rich­tet – es sei denn, diese wider­spre­chen der Einrich­tung expli­zit („Opt-Out“).

Ab dem 15. Januar kommen­den Jahres sollen die elektro­ni­schen Patien­ten­ak­ten fertig einge­rich­tet sein. Für das Vorha­ben beginnt noch in diesem Herbst eine Infor­ma­ti­ons-Kampa­gne des Bundes-Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums, in etwa paral­lel soll die Möglich­keit zum Wider­spruch einge­rich­tet werden.

Wie die Gematik angekün­digt hat, soll ab Sommer 2025 die ePA über einen digita­len Medika­ti­ons­plan verfü­gen. Dieser soll etwa Infor­ma­tio­nen wie Einnah­me­grund, ergän­zende Hinweise zur Einnahme oder Schemata zur Darstel­lung komple­xer Dosie­run­gen enthal­ten.

Wie ein digital gestütz­ter Medika­ti­ons­pro­zess mit der ePA ablau­fen könnte, hat die gematik mit einem Beispiel zum Durch­kli­cken, anhand des fikti­ven, an einer chroni­schen Herzin­suf­fi­zi­enz leiden­den Patien­ten Vincent Wagner veran­schau­licht.

#3: Was verspricht die ePA an Vortei­len?

Durch die zentrale Verfüg­bar­keit der Behand­lungs­da­ten bietet sich „die komplette Kranken­ge­schichte auf einen Klick“ – mit der das ärztli­che Perso­nal direkt arbei­ten und die Kranken­ge­schichte einse­hen kann.

Damit entfal­len, wenn es gut läuft, aufwän­dige Anfor­de­run­gen und Versen­dun­gen von Behand­lungs­un­ter­la­gen, unnötige Doppel­un­ter­su­chun­gen werden verrin­gert.

Durch das Medika­ti­ons­ma­nage­ment erhält jeder Patient eine automa­ti­sierte, digitale Übersicht über die verord­ne­ten Arznei­mit­tel, mitsamt einem Überblick über mögli­che Neben- und Wechsel­wir­kun­gen bei neu in den Behand­lungs­plan hinzu­kom­men­den Medika­men­ten.

Die zentra­li­sierte Aufbe­wah­rung mindert die Gefahr, medizi­ni­sche Dokumente – siehe das Zahnarzt-Bonus­heft oder den Impfaus­weis – zu verges­sen oder zu verlie­ren. Durch die Speiche­rung und den Zugriffs­mög­lich­keit von überall­her sollen relevante Befund- oder Behand­lungs­be­richte nicht verlo­ren gehen können, und jeder­zeit zur Verfü­gung stehen.

#4: Welche Beden­ken gibt es?

Die externe Speiche­rung von Patien­ten­da­ten, und Ausla­ge­rung auf Server, birgt natur­ge­mäß Daten­schutz- und Sicher­heits­ri­si­ken – auch wenn die Entwick­ler betonen, die Daten seien mehrfach verschlüs­selt und gegen unbefug­tes Ausle­sen gesichert.

Es seien einfach zu viele Fragen offen, kriti­sierte der Bundes­da­ten­schutz­be­auf­tragte Ulrich Kelber (SPD) Ende 2023 im Deutsch­land­funk – etwa, wer genau bestimmte Daten einspeise oder wie man auch mal Daten sperren lassen könne.

In seinem Jahres­be­richt, den er im März 2024 veröf­fent­lichte, erneu­erte er seine Kritik: Die geplante Wider­spruchs­lö­sung – eine ePA wird angelegt, sofern man nicht aktiv wider­spricht – greife „erheb­lich in das Grund­recht auf die infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung ein“, so Kelber.

Auch Digital- und Bürger­rechts­ver­bände wie der Chaos-Compu­ter-Club (CCC) kriti­sie­ren das Konzept der ePA. Man habe „erheb­li­che Beden­ken, ob der Teilbe­reich ‚elektro­ni­sche Patien­ten­akte‘ die hohen Anfor­de­run­gen an den Daten­schutz erfüllt, die von Patien­ten und Ärzten erwar­tet werden. Darüber­hin­aus scheint der Aufbau der komple­xen Infra­struk­tur wirtschaft­lich nicht sinnvoll“, so der CCC.

Der Verein Digital­cou­rage (ehemals FoeBuD) weist ebenfalls auf die Risiken der ePA hin. „Gesund­heits­da­ten zählen zu den intims­ten und sensi­bels­ten Daten überhaupt, deshalb ist es beson­ders wichtig, die ePA vor Fremd­zu­grif­fen zu schüt­zen“, so der Verein.

Als Beispiel, was passie­ren könne, nennt Digital­cou­rage einen Fall aus Finnland: 2018 entwen­de­ten Krimi­nelle dort die online gespei­cher­ten Behand­lungs­da­ten eines Psycho­the­ra­pie­zen­trums und nutzten diese, um die Patien­ten zu erpres­sen – sie drohten damit, die Eintra­gun­gen ihrer psycho­the­ra­peu­ti­schen Sitzun­gen zu veröf­fent­li­chen, wenn die Opfer nicht zahlen.

Die Deutsche Stiftung Patien­ten­schutz argumen­tiert vor allem damit, dass digital Unerfah­rene sowie Nicht­nut­zer von Smart­phones und Inter­net durch das neue Verfah­ren benach­tei­ligt würden. „Das heute bestehende Recht auf einen Medika­ti­ons­plan in Papier­form wird ihnen dann verwehrt.

Diese Patien­ten­gruppe hat auch bei der Betei­li­gung der E‑Akte das Nachse­hen, weil wichtige Altbe­funde nicht einge­pflegt werden müssen“, so der Vereins­vor­stand Eugen Brysch.

#5: Wie kann man die ePA nutzen?

Der Zugriff als Patient soll über eine Smart­phone-App möglich sein, auf die man auch über einen Tablet-Compu­ter zugrei­fen könnte – nach derzei­ti­gem Stand jedoch nicht über Laptop oder einen statio­nä­ren PC. Die App kommt dabei von der jewei­li­gen gesetz­li­chen Kranken­kasse des Patien­ten; diese infor­mie­ren ihre Versi­cher­ten im laufen­den zweiten Halbjahr 2024.

Auf den Websites der Kassen gibt es Info-Seiten zur ePA, zum Teil sind die jewei­li­gen Zugangs-Apps bereits zum Download verfüg­bar – hierüber hat die gematik GmbH eine gute Übersicht zusam­men­ge­stellt.

Für die Inbetrieb­nahme und Autori­sie­rung der App ist ein aufwän­di­ger Identi­fi­zie­rungs­pro­zess vorge­se­hen – beispiels­weise mittels des „Post-Ident“-Verfahrens. Versi­cherte priva­ter Kassen sollen im kommen­den Jahr ebenfalls sukzes­sive die ePA sowie die dazuge­hö­rige App bekom­men.

In der Arztpra­xis funktio­niert die elektro­ni­sche Gesund­heits­karte als Zugangs­in­stru­ment für die Behand­ler zur ePA – per Einste­cken ins Lese-Termi­nal.