Die Bipolare Störung wird auch als die Krankheit mit den zwei Gesichtern bezeichnet, da Betroffene zu starken phasenweisen Stimmungsschwankungen neigen
Die Bipolare Störung wird auch als die Krank­heit mit den zwei Gesich­tern bezeich­net, da Betrof­fene zu starken phasen­wei­sen Stimmungs­schwan­kun­gen neigen Bild: Dmytro Konstan­ty­nov | Dreamstime.com

Bipolare Störung: Allge­meine Infor­ma­tio­nen

Die Bipolare Störung heißt so, weil das Krank­heits­bild zwei Ausprä­gun­gen kennt: die Manie und die Depres­sion. Früher nannte man die Krank­heit auch „manisch-depres­siv“. Die Bipolare Störung gehört zu den häufigs­ten psych­ia­tri­schen Krank­hei­ten in Deutsch­land, schät­zungs­weise 1,5 bis 5 % der Bevöl­ke­rung sind betrof­fen. Viele der Erkran­kun­gen bleiben jedoch unent­deckt. Kennzei­chen der Bipola­ren Störung sind völlig überstei­gerte Stimmungs­schwan­kun­gen, die entwe­der ohne Anlass oder nach einer bestimm­ten Lebens­si­tua­tion auftre­ten. Die betrof­fene Person durch­läuft ein Wechsel­bad von himmel­hoch-jauch­zend (Manie) bis zu Tode betrübt (Depres­sion). Der Verlauf kann dabei sehr indivi­du­ell sein, die manischen/depressiven Episo­den können Tage, Wochen, Monate oder auch Jahre dauern. Dazwi­schen können Phasen liegen, in denen die betrof­fene Person völlig beschwer­de­frei ist.

Zudem liegt das Selbst­mord­ri­siko bei Menschen mit Bipola­rer Störung um den Faktor 20 höher als in der Allge­mein­be­völ­ke­rung.

„Ich saß mit meinem Manager und meiner Familie zusam­men und sprach mit ihnen darüber, ob ich meine Probleme öffent­lich machen sollte. Ich wusste: Es gab zwei Möglich­kei­ten. Entwe­der rede ich nicht über meinen Klinik­auf­ent­halt und hoffe, dass keiner davon erfährt. Oder ich spreche offen darüber und mache Menschen Mut, sich bei Proble­men Hilfe zu suchen. Und das habe ich dann getan.“
Demi Levato, Sänge­rin und Schau­spie­le­rin

Bipolare Störung: Das Krank­heits­bild

Die manische Seite

Eine Manie (von altgr. „mania“ = Wut, Raserei, Wahnsinn) äußert sich durch ein inten­si­ves Hochge­fühl, gute Laune und erhöhte persön­li­che Leistungs­be­reit­schaft. Die betrof­fene Person empfin­det sich als außer­ge­wöhn­lich kreativ und schöp­fe­risch – sie ist eupho­risch. Die Schwie­rig­keit liegt darin, dass der Maniker hartnä­ckig leugnet, irgend­ein Problem zu haben und dann ggf. im Extrem­fall gegen den eigenen Willen in eine geschlos­sene Station einge­wie­sen wird. Die eigene Hochstim­mung kann schnell in Gereizt­heit umschla­gen, auch hat der Patient meist einen hohen Rededrang gegen­über anderen und ist distanz­los. Gedan­ken­sprünge gehören ebenso zu dieser Krank­heit wie Sprung­haf­tig­keit im Handeln: Vieles wird angefan­gen und kaum etwas zu Ende geführt. Auch morali­sche Schran­ken fallen: oft verhält sich die betrof­fene Person sehr anders als sie es im Normal­zu­stand tun würde.

Eine Bipolare Störung ist auch die Folge eines Ungleichgewichts der Botenstoffe im Gehirn
Eine Bipolare Störung ist auch die Folge eines Ungleich­ge­wichts der Boten­stoffe im Gehirn Bild: Agfotografia74/Dreamstime.com

Die depres­sive Seite

Die Depres­sion ist das Gegen­teil von der Manie und äußert sich durch gedrückte Stimmung, Inter­es­sens­ver­lust, Freud- und Ausdrucks­lo­sig­keit. Der Antrieb ist deutlich reduziert. Die Gefühls­welt ist erloschen – Denken, Handeln und Körper sind betrof­fen. Weitere wichtige Symptome können sein, dass die betrof­fene Person viel grübelt und sich pessi­mis­ti­sche Zukunfts­per­spek­ti­ven ausmalt. Appetit­ver­lust ist möglich, aber auch das Gegen­teil. Depres­sive Menschen können sich nur schwer konzen­trie­ren und haben Aufmerk­sam­keits­stö­run­gen. Auch fällt es ihnen schwer, Entschei­dun­gen zu treffen. Schließ­lich treten Gefühle der Wertlo­sig­keit und Schuld­ge­fühle hinzu. Auch Suizid­ge­dan­ken sind möglich, die diese Episode der Bipola­ren Störung sehr gefähr­lich machen.

Die Varian­ten der Erkran­kung

Ausprä­gung und Abstand zwischen depres­si­ven und manischen Episo­den variie­ren stark. Bei etwa einem Fünftel der Betrof­fe­nen treten sogar ausschließ­lich manische oder depres­sive Phasen auf. Die Bipolare Störung wird deshalb in mehrere Formen unter­teilt:

  • Bipolar-I-Störung: im Wechsel auftre­tende depres­sive und manische Phasen
  • Bipolar-II-Störung: im Wechsel auftre­tende depres­sive und (nur) leicht manische Phasen (=hypomane Phasen)
  • Zyklo­thy­mia: im Wechsel auftre­tende depres­sive und manische Phasen in deutlich abgeschwäch­ter Form

Die Krank­heit erken­nen

Eine Bipolare Störung ist nicht einfach zu diagnos­ti­zie­ren, da die Abgren­zung etwa zu Depres­sio­nen nicht immer eindeu­tig ist. Deshalb ist eine sehr ausführ­li­che Anamnese (Erfra­gung der Vorge­schichte des Betrof­fe­nen) erfor­der­lich. Hierfür gibt es standar­di­sierte Frage­bö­gen, die Ärzten zur Verfü­gung stehen. Aufgrund der starken geneti­schen Kompo­nente wird dabei auch der Blick auf die Eltern gerich­tet. Geschul­ten Fachärz­ten gelingt es meist besser, die richtige Diagnose zu stellen, als Hausärz­ten.

Auch wenn natür­lich nur ein Facharzt eine kompe­tente Diagnose stellen kann, so klar ist auch der Wunsch vieler, schnell und vor allem anonym erste Hinweise zu überprü­fen. Hierzu haben verschie­dene medizi­ni­sche Websei­ten einen Selbst­test entwi­ckelt. Wir verlin­ken hier auf den Test von netdoktor.de, raten aber stets zu einem Arztbe­such, falls ein Verdacht auf Bipolare Störung besteht!

Bipolare Störung: Die Behand­lung

Bei der Behand­lung der Bipola­ren Störung muss man unter­schei­den, ob sie akut statt­fin­det, der Erhal­tungs­the­ra­pie dient oder der Rückfall­vor­beu­gung. Im Akutfall geht es darum, den Leidens­druck der betrof­fe­nen Person zu reduzie­ren und die Krank­heits­ein­sicht wieder­her­zu­stel­len. In der Erhal­tungs­the­ra­pie wird die Situa­tion des Patien­ten oder der Patien­tin weiter stabi­li­siert, um einen Rückfall zu verhin­dern. Die Rückfall­vor­beu­gung ist langfris­tig geplant und soll weitere Krank­heits­epi­so­den verhin­dern. Während der Akutbe­hand­lung werden Inter­ven­ti­ons­me­di­ka­mente gegeben, z.B. Antide­pres­siva. Langfris­tig kommen Stimmungs­sta­bi­li­sa­to­ren wie Lithium zum Einsatz. Psycho­the­ra­pie sollte sich eher mit dem Hier und Jetzt (Krank­heit) als mit dem Warum beschäf­ti­gen.

Medika­men­töse Behand­lung

Menschen mit Bipola­rer Störung bedür­fen in der Regel einer medika­men­tö­sen Behand­lung, um ihre starken Stimmungs­schwan­kun­gen in den Griff zu kriegen und ein relativ norma­les Leben führen zu können. Dabei werden haupt­säch­lich stimmungs­sta­bi­li­sie­rende Medika­mente wie Lithium, Antiepi­lep­tika und atypi­sche Neuro­lep­tika einge­setzt, in unter­schied­li­chen Kombi­na­tio­nen, je nach Episode. In der Akutphase müssen manch­mal zusätz­lich Antide­pres­siva oder Sedativa verab­reicht werden. Hierbei ist eine exakte Befol­gung der ärztli­chen Anwei­sun­gen erfor­der­lich, da das selbstän­dige Anpas­sen der Dosis oder plötz­li­che Abset­zen der Medika­mente schwer­wie­gende Folgen haben kann.

Elektro­krampf­the­ra­pie

Schnel­lere Ergeb­nisse, als die medika­men­töse Behand­lung, die mehrere Wochen benötigt, um Wirkung zu zeigen, bringt die Elektro­krampf­the­ra­pie. Auch wenn viele bei diesem martia­li­schen Begriff zusam­men­zucken, handelt es sich hier doch um eine schmerz­lose Behand­lungs­me­thode, die unter Vollnar­kose vorge­nom­men wird. Dabei werden dem Patien­ten Elektrode angelegt, die einen kurzzei­ti­gen Krampf­an­fall auslö­sen. Die Methode wird beson­ders bei akut suizid­ge­fähr­de­ten Menschen einge­setzt und zeigt weniger Neben­wir­kun­gen als viele der verschrie­be­nen Medika­mente. Aller­dings ist sie nicht für jeden und jede geeig­net: Bei Schwan­ge­ren, Älteren und Menschen mit Herzer­kran­kung sollte sie nicht angewen­det werden.

Wachthe­ra­pie

Es klingt banal, ist aber bei vielen Menschen wirksam, die von einer Bipola­ren Störung betrof­fen sind: Unter ärztli­cher Aufsicht wird dem Patien­ten für eine Nacht Schlaf­ent­zug verord­net. Dies sorgt oft für eine Stabi­li­sie­rung des Gemüts­zu­stan­des und kann dann in gewis­sen Abstän­den wieder­holt werden. Da die Schlaf­re­duk­tion aber eine manische Episode auslö­sen kann, ist zur Absen­kung des Risikos eine beglei­tende Medika­men­ten­gabe sinnvoll.

Psycho­the­ra­peu­ti­sche Behand­lung

Für allen Betrof­fe­nen ist eine zusätz­li­che psycho­the­ra­peu­ti­sche Behand­lung sinnvoll, da diese konkret das Verhal­ten analy­sie­ren und verän­dern kann. Hierbei ist auch eine Einbin­dung von Angehö­ri­gen empfeh­lens­wert. Vor allem die Inter­per­so­nelle und Soziale Rhyth­mus-Thera­pie (IPSRT) sowie die Familien-Fokus­sierte Thera­pie (FFT) haben sich bei Bipola­rer Störung als wirksam erwie­sen.

Bipolare Störung: Die Betrof­fe­nen

Als eine der häufigs­ten psych­ia­tri­schen Krank­hei­ten in Deutsch­land, sind schät­zungs­weise 1,5 bis 5 Prozent der Bevöl­ke­rung von einer Bipola­ren Störung betrof­fen.

Selbst­hil­fe­grup­pen

Die Bipolare Störung stellt eine enorme Belas­tung für Erkrankte, aber auch ihre Freunde und Angehö­ri­gen dar. Da ein wesent­li­ches Ziel der Behand­lung ist, den Patienten/die Patien­tin perma­nent bewusst zu machen, dass sie ein Problem haben, haben sich in Deutsch­land mehr oder weniger flächen­de­ckend Selbst­hil­fe­grup­pen gebil­det. Manche sind gemischt, andere nur für Betrof­fene oder ihre Angehö­ri­gen. Allein schon auf der Website der Deutschen Gesell­schaft für Bipolare Störun­gen (DGBS) e.V. sind über 140 solcher Gruppen aufge­lis­tet. Aber auch die Natio­nale Kontakt- und Infor­ma­ti­ons­stelle zur Anregung und Unter­stüt­zung von Selbst­hil­fe­grup­pen (NAKOS) kann bei der Suche nach der passen­den Gruppe helfen.

Promi­nente (Ex-)Patienten und Patien­tin­nen

Viele berühmte Kultur­schaf­fende litten oder leiden an der Bipola­ren Störung, so bspw. auch die Star-Wars-Schau­spie­le­rin Carrie Fisher. In den manischen Phasen laufen diese Menschen zur Hochform auf und sind kreativ und schöp­fe­risch tätig. Leider folgt dann irgend­wann der Absturz in die Depres­sion.

Die walisi­sche Schau­spie­le­rin Cathe­rine Zeta-Jones (u.a. Die Maske des Zorro, Ocean’s 12, R.E.D. II) macht inzwi­schen kein Geheim­nis mehr aus ihrer Bipola­ren Störung. „Ich hatte nie vor, damit so offen umzuge­hen. Ich habe diese briti­sche steife Oberlippe – so etwas posaunt man doch nicht heraus“, sagt sie in einem Inter­view. Als es dann doch heraus­ge­kom­men sei, habe sie gewusst, dass sie nicht die einzige ist, die damit Tag für Tag klarkom­men muss. „Wenn ich also jeman­dem damit gehol­fen habe, über Depres­sion oder Bipolare Störung zu sprechen – dann ist das toll.“

Die erfolg­rei­che Pop-Sänge­rin Demi Levato hatte früh mit einer Bipola­ren Störung zu kämpfen. Mittler­weile hat sie ihr Drogen­pro­blem in den Griff bekom­men und setzt sich bei der Aufklä­rung über psychi­sche Erkran­kun­gen ein. Mit ähnli­chen Widrig­kei­ten hatte auch Schau­spie­ler und Regis­seur Mel Gibson zu kämpfen (Brave­he­art, Die Passion Christi). Sein „Outing“ in einer 2008 erschie­ne­nen Dokumen­ta­tion, warf jedoch auch zahlrei­che Fragen auf. Auch Grammy-Preis­trä­ge­rin Macy Gray hat trotz ihrer Erkran­kung, die sie 2007 in der briti­schen Tages­zei­tung Daily Mail enthüllte, eine erfolg­rei­che Karriere im Musik­busi­ness und auf der großen Leinwand vorzu­wei­sen.

„Wenn Du durch die Hölle gehst, dann lauf weiter.“
Winston Churchill, ehema­li­ger briti­scher Premier­mi­nis­ter

Auch in der Politik treten immer wieder Fälle auf, wenngleich hier aus nahelie­gen­den Gründen selten die Bereit­schaft einher­geht, offen mit der Erkran­kung umzuge­hen. Eine Ausnahme bildet der US-Politi­ker Patrick J. Kennedy, Neffe des ermor­de­ten Präsi­den­ten John F. Kennedy. Er sprach offen über seine Alkohol­pro­bleme und Bipolare Störung. Seit einiger Zeit setzt er sich auch für die Entstig­ma­ti­sie­rung psychi­scher Krank­hei­ten ein. Vom ehema­li­gen briti­schen Premier­mi­nis­ter Winston Churchill vermu­tet man stark, dass er an einer Bipola­ren Störung litt. Aus zuver­läs­si­gen Quellen ist überlie­fert, dass er oft 18 Stunden am Tag durch­ar­bei­tete, nur um danach in schwere Depres­sion zu verfal­len.

Autobio­gra­fien und Ratge­ber

Der Roman „Die Welt im Rücken“ des Schrift­stel­lers Thomas Melle erhielt viel Lob im Feuil­le­ton. Melle beschreibt darin seine eigene Bipolare Erkran­kung und wie er mit ihr im Alltag zurecht gekom­men ist. Die litera­ri­sche Heran­ge­hens­weise und die Sprach­ge­walt Melles ermög­li­chen einen neuen, frischen und diffe­ren­zier­ten Zugang zur Bipola­ren Störung.

Die renom­mierte Psycho­lo­gin und Schrift­stel­le­rin Kay Redfield Jamison hat zahlrei­che Standard­werke zum Thema psychi­scher Erkran­kun­gen verfasst. Beson­ders bekannt sind „Meine ruhelose Seele“ sowie „Berührt vom Feuer“. Letzte­res bildete die Inspi­ra­tion für den gleich­na­mi­gen Film unter der Regie von Paul Dalio.