Seniorin möchte Tochter besuchen und schleicht sich aus Altenheim hinaus
Was tut man nicht alles für seine Liebsten: Um ihrer Tochter persönlich zum Geburtstag zu gratulieren, hat eine 101 Jahre alte Frau am 06. April 2020 ihr Altenheim in der Braunschweiger Innenstadt verlassen. Nach Informationen der Polizei wurde ein Streifenwagen zu der offenbar orientierungslosen Seniorin bestellt. Die Frage, ob sie im nahegelegenen Pflegeheim wohnen würde, verneinte die Frau. Sie gab ihren Wohnsitz bei ihrer Tochter in Braunschweig-Rühme an.
Die Beamten nahmen die Seniorin daraufhin mit zum Haus ihrer Tochter. Vor Ort bestätigte diese jedoch den Verdacht der Polizisten. Die Frau wohne tatsächlich seit zwei Wochen im angesprochenen Seniorenheim. Sie sei dort über den Notausgang nach draußen gelangt. Sie würde ihre Tochter schmerzlich vermissen. Schließlich galten zu Beginn der Coronapandemie Besuchsverbote in den Pflegeeinrichtungen und Ausgangsbeschränkungen für die Bewohner.
Immerhin: Die Seniorin konnte ihre Tochter somit aus dem Polizeiauto heraus sehen und ihr gratulieren. Auf eine Umarmung mussten beide jedoch wegen der Kontakteinschränkungen verzichten. Anschließend brachten die Beamten sie wieder zurück in ihr Heim.
Grundsätzlich gilt: Die Bewohner sind im Altenheim natürlich nicht „gefangen“. Im Normalfall kann eine im Heim lebende Person frei darüber entscheiden, ob und wann sie das Heim verlässt und wann sie wieder zurückkommt. Voraussetzung ist, dass die Person im Vollbesitz ihrer Entscheidungsfähigkeit ist. Sollte dies nicht der Fall sein, beispielsweise bei einem psychisch erkrankten Patienten, können freiheitsentziehende Maßnahmen, wie ein Ausgangsverbot, zum Wohle des Betreuten angeordnet werden. Dies kann gegeben sein, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich der Bewohner beim Ausgang selbst tötet, verletzt oder in Gefahr bringt. Ebenso ist eine Zustimmung des zuständigen Betreuers und gegebenenfalls sogar eine richterliche Genehmigung des Betreuungsgerichts notwendig (§ 1906 Absatz4 BGB).
Wer trägt die Kosten einer polizeilichen Rückbeförderung?
Immer wieder kommt es vor, dass Heimbewohner einfach aus dem Heim verschwinden und sich möglicherweise damit selbst in Gefahr bringen. Werden daraufhin die Behörden zu Hilfe gerufen, so haben diese nach dem Polizei- und Ordnungsbehördengesetz des jeweiligen Landes die Möglichkeit, die durchgeführte Suchaktion und Rückbeförderung in Rechnung zu stellen.
Dabei können die Kosten demjenigen auferlegt werden, der die Verantwortung für die konkrete Situation trägt. Grundsätzlich ist dies erst einmal der entlaufene Bewohner selbst. Allerdings kann auch die Einrichtung zur Kostenerstattung herangezogen werden. Dies setzt voraus, dass eine sogenannte Zweckveranlassung im Sinne des Gefahrenabwehrrechts angenommen werden kann, die Einrichtung also mitverantwortlich für das Entlaufen eines Bewohners ist. Im Falle der 101-jährigen ist nicht bekannt, ob die Polizei einen Kostenersatz für die Rückbeförderung der Seniorin in diesem Sinne veranlasst hat.
Das Verwaltungsgericht (VG) Saarlouis hat vor einigen Jahren den Einrichtungsträger eines Altenheimes zur Erstattung der Rückbeförderungskosten verurteilt (VG Saarlouis vom 28. August 2009 – 6 K 125/09). In diesem Fall war der Einrichtung vorzuwerfen, dass keine ausreichenden Sicherungsmaßnahmen gegen das unerlaubte Verschwinden eines dementen Bewohners mit bekannter Weglauftendenz getroffen worden sind und dieser nicht daran gehindert wurde. Die Klage der Einrichtung wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Sie hätte nur dann Erfolg gehabt, wenn die Einrichtung hinreichende (technische) Vorkehrungen gegen das Weglaufen des Bewohners getroffen hätte – unter Einwilligung des Bewohners oder dessen Betreuers und unter Genehmigung des Betreuungsgerichts.
Quelle: Polizei Braunschweig