Augenarzt
Ein Augen­arzt mit Skalpell bei einer Opera­tion (Symbol­bild) Bild: © Tmcpho­tos | Dreamstime.com

Augen­arzt erlei­det Schlag­an­fall und arbei­tet trotz­dem weiter

Ein nieder­ge­las­se­ner Augen­arzt erlitt 2009 einen Schlag­an­fall, der schwere neuro­lo­gi­sche und motori­sche Beein­träch­ti­gun­gen zur Folge hatte. Diese umfas­sen eine Sprach­stö­rung, Alexie, Akalku­lie und eine rechts­sei­tige Hemipar­aese, die seine Feinmo­to­rik und Tiefen­sen­si­bi­li­tät stark beein­träch­tigt.

Thera­pie­ver­su­che zeigen nur bedingt Fortschritte. Aus Unzufrie­den­heit über seinen körper­li­chen Zustand unter­nimmt er sogar einen Suizid­ver­such.

Trotz dieser erheb­li­chen Einschrän­kun­gen führt er seine Tätig­keit als Augen­arzt nach zwei Jahren fort und beginnt später sogar wieder Opera­tio­nen durch­zu­füh­ren.

Ihm war bewusst, dass seine Fähig­kei­ten zum Durch­füh­ren dieser Opera­tio­nen stark beein­träch­tigt war und dass sein Handeln Risiken für seine Patien­ten bedeu­ten könnte. Das hielt ihn jedoch nicht ab.

Fast 4.000 Perso­nen operiert

Im Zeitraum zwischen 2011 und 2016 operierte er 3.900 Perso­nen. Bei 75 Prozent der Fälle gab es keine negati­ven Folgen. Bei den restli­chen Patien­ten traten jedoch verschie­dene Kompli­ka­tio­nen auf.

Nieman­den klärte er über seine gesund­heit­li­chen Probleme auf. Die Patien­ten wurden nur über allge­meine Risiken der Opera­tion infor­miert.

Aufgrund seiner motori­schen Einschrän­kun­gen war er objek­tiv gesehen nicht in der Lage, das Opera­ti­ons­werk­zeug wie Skalpell und Scheren sachge­mäß anzuwen­den. Eine Patien­tin ist aufgrund des fehler­haf­ten Eingriffs sogar erblin­det.

Gericht­li­ches Urteil gestal­tete sich schwie­rig

Das Arbeits­ge­richt Kempten verur­teilte den Augen­arzt zunächst wegen schwe­rer Körper­ver­let­zung in zwei tatmehr­heit­li­chen Fällen und vorsätz­li­cher Körper­ver­let­zung in 7 weite­ren Fällen einer Freiheits­strafe von drei Jahren.

Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staats­an­walt­schaft als auch die Vertei­di­gung des Arztes Berufung ein. Darauf­hin änderte das Gericht das Urteil.

Der Angeklagte wurde dann wegen fahrläs­si­ger Körper­ver­let­zung in 9 Fällen zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von 9 Monaten verur­teilt.

Erneut wurde von beiden Parteien Revision einge­legt, diesmal beim Bayeri­schen Obers­ten Landes­ge­richt. Dieses hat das Urteil aufge­ho­ben und zur erneu­ten Verhand­lung an das LG Kempten zurück­ver­wie­sen.

Das LG Kempten hat den Arzt dann wegen vorsätz­li­cher Körper­ver­let­zung in 11 Fällen in Tatmehr­heit mit schwe­rer Körper­ver­let­zung zu einer Gesamt­frei­heits­strafe von einem Jahr und zehn Monaten verur­teilt. Erneut wurde von beiden Parteien Revision einge­legt.

Gefähr­li­che Körper­ver­let­zung in 11 Fällen

Die Revision des Angeklag­ten wurde verwor­fen. Das Urteil wurde in Bezug auf die Revision der Staats­an­walt­schaft schließ­lich so angepasst, dass in allen 11 Fällen von gefähr­li­cher Körper­ver­let­zung ausge­gan­gen werden kann.

Gemäß § 224 Absatz 1 Nummer 2 StGB wird dann von gefähr­li­cher Körper­ver­let­zung gespro­chen, wenn die Körper­ver­let­zung mittels einer Waffe oder eines anderen gefähr­li­chen Werkzeugs zugeführt wurde.

Nach Auffas­sung des Gerichts kann das vom Augen­arzt verwen­dete Skalpell durch­aus als solch ein gefähr­li­ches Werkzeug einge­stuft werden, da ein ordnungs­ge­mä­ßer Gebrauch durch den körper­li­chen Zustand des Augen­arz­tes ausge­schlos­sen war.

Im Sinne des Geset­zes handelt es sich nämlich dann um ein gefähr­li­ches Werkzeug, wenn ein Gegen­stand durch seine objek­tive Beschaf­fen­heit und die Art seiner Verwen­dung im konkre­ten Fall dazu geeig­net ist erheb­li­che Verlet­zun­gen zuzufü­gen.

Sowohl beim Einsatz des Skalpells als auch beim Einsatz der Schere kann also von gefähr­li­chen Werkzeu­gen gespro­chen werden.

Da sich der Schuld­spruch geändert hat, muss auch der Rechts­fol­gen­aus­spruch aufge­ho­ben werden. Die Sache wurde zur erneu­ten Verhand­lung an eine andere Straf­kam­mer des Landge­richts zurück­ver­wie­sen.

Quelle: BayObLG vom 19.3.2024 – 205 StRR 8/24